zum Hauptinhalt

Von Gerold Paul: Bloß keinen Schnaps fürs Volk!

Texte des Kabaretts „Die Bücherwürmer in dem Buch „Blattlaus meets Florfliegenlarve“

Stand:

Nach maximal einundzwanzig Jahren Bühnenerprobung ist es endlich so weit, die besten Texte des Potsdamer Amateurkabaretts „Bücherwürmer“ gibt es nun auch gedruckt! Verantwortlich dafür ist Frank Rawel, Mitspieler von 1990 bis 1995, aber Haus- und Stammautor von 1988 bis jetzt.

Seiner spitzen Feder verdankt das Quintett um Ronald Gohr so manchen Bühnen-Effekt. Aber Vorsicht: „Nicht immer lachen die Besten am besten!“ Ein selbstkritisch-suchendes Vorwort erklärt die wichtigsten Prämissen seiner Schreibe: kein Reden nach dem Maule der Straße (Populismus = Schnaps fürs Volk), keine Lach-Effekte um jeden Preis, Selbstkontrolle, denn wer zu doll „auf die Politikerkaste eindrischt“, könnte wohlmöglich den Abschaffern der Demokratie in die Hände arbeiten. Vielleicht relativiert der titelgebende Dialog von 2009 diese brave Kabarettistensicht ein wenig: „Blattlaus meets Florfliegenlarve“ handelt fast parabelhaft vom Fressen und Gefressenwerden. Sonst aber kratzen die wenigsten Texte „am System“, höchstens an der Patina, wobei die neue Zeit etwas mehr abbekommt. „Politisches Kabarett“ steht trotzdem überall darüber. Geboren in Torgau, arbeitet der Autor für den hiesigen Rundfunk, mancher hat in seiner Radio-Stimme den Alten Fritzen erkannt. Im Selbstverständnis ist er „Laienkabarettautor“ mit Wohnsitz zu Wildenbruch.

Haben solche Prosa- oder Dialog-Stücke auch posthume noch und ohne Bühne Kraft? Mal ja, mal auch, oder auch nicht. Die Texte von 1988 mit den preußischen Hofschranzen, die über die Einführung von „Klatschnost und Rumgestaltung“ palavern, waren so schlecht ja nicht, besser jedenfalls als die Nummer „Punk und Agitator“.

Autor Frank Rawel hatte nie etwas gegen ein besseres Deutschland, warum auch. Seit 1975 lebte das Kabarett ästhetisch von „kollektiver Selbstversicherung“.

Während der Jahre 89/90 haben die BüWü dann kräftiger mitgemischt. "Erst mal "nur draufhauen!" hieß die Parole. Irgendwo ist auch von einem gewissen Feuer die Rede, welches man, Prometheus gleich, in die Partnerstadt Bonn getragen haben will. Zwar verdiente man so seine ersten West-Piepen, aber brannte deshalb der Rhein? Nein. Dann aber wurde es rundum „Schwarz wie die Macht“, man war ja (1993) „Auf den Bund gekommen“, Freund und Feind sortierten sich neu. In jener Zeit taten die belesenen Potsdamer alles, um nicht im „Comedy-Sog“ zu verschwinden, die entsprechenden Texte im Buch belegen das mal mehr, mal weniger glücklich. Bleiben und mitspielen durfte ohnehin nur, wer sich bis zur Selbstaufgabe als Bücherwurm zu behaupten verstand.

Die überwiegend sympathische Textsammlung spiegelt diese Wendungen von 1988 bis heute. Lachen als „sozialhygienische Dienstleistung“ und „kollektive Verdauungshilfe“ sind tragende Säulen der Würmer geblieben. Man findet die unverwüstlichen „Running Gags“, Dieter, der es nie bis zum „Persilschein“ schafft, die urdeutsche „Musterfamilie Gaffke“ als Repräsentationshilfe. Von Mobbing bis Computerklick, von Wahlkampf bis zur Kultur-Guerilla ist alles dabei, alkoholfrei natürlich. Zwischen die Texte hat ihr Autor ein paar persönliche Worte zur Bücherwürmer-Chronik eingeflochten, ganz hinten stehen die „Letzten Fragen“ zu Buch und zu Wurm.

Wird man’s lesen, wird man’s spielen, bei den Artverwandten? Zu hoffen wäre es, denn Kabarett-Autoren sind ja nicht gerade Massenware, eher umgekehrt. In diesem Sinne: Prösterken!

Frank Rawel, „Blattlaus meets Florfliegenlarve“, Texte für das Kabarett „Die Bücherwürmer“, Books on Demond, Norderstedt, 9,95 Euro

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })