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Kultur: Bloß nicht schwelgen

„Die Fledermaus“ in einer musikalisch unzureichenden Aufführung am Hans Otto Theater

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Das Uhrwerk der Vergnügungslust. Im Hause Eisenstein kennt man sich anscheinend gut damit aus. Vor einem großen Abendball gilt es jede Minute zu nutzen für die immer gleichen Fragestellungen: Wie kommt man hin, wie kommt man rein, was zieht man an? Und vor allem: Mit welcher Ausrede kann man der ehelichen Zweisamkeit entfliehen? Denn die steht den Tête-à-Têtes und neuen Liebschaften – oberstes Ziel jeder Ball-Seligkeit – mehr als im Wege. Doch an diesem Nachmittag kommt es zu eigenartigen Störungen im sonst so routinierten Ablauf. Plötzlich sollen Gefängnisstrafen abgesessen werden wegen irgendwelcher Kavaliersdelikte. Jetzt pressiert''s: Wie kann man sich dieser lästigen Unannehmlichkeiten schnell entledigen? Rosalinde und Gabriel von Eisenstein meistern auch diese Hürde meisterhaft. Jedenfalls in der Operette „Die Fledermaus“, deren großartige Musik von dem Meister der Operette Johann Strauß komponiert wurde.

Das Hans Otto Theater nahm sich in einer Koproduktion mit dem Brandenburger Theater sechs Monate nach der Eröffnung des neuen Hauses diesem Werk an. Man vertraute die Inszenierung der in Potsdam nicht unbekannten Regisseurin Adriana Altaras an. Man hatte den Eindruck, dass sie unbedingt allen Charme des Stückes tilgen wollte. Ihre Konzeption hieß wohl: Nur nichts Schwelgerisch-Nostalgisches, sondern grimmig sein. Doch Johann Strauß’ Verlachen wählt nicht die Form der Tabula-rasa-Manier, sondern das Privileg komischer Bloßlegung und harmonisierender Liebenswürdigkeit. Es schien, dass Adriana Altaras davon nichts wissen wollte.

Dennoch konnte man sich über einige szenische Einfälle amüsieren. So während der Ouvertüre, wenn es in den ehelichen Betten der Eisensteins allerlei köstliche Bein- und Fußtiraden zu konstatieren gibt. Andere inszenatorischen Höhepunkte sind aber mit dem ersten Akt bereits beendet. Da herrscht noch komödiantischer Drive, der Moment permanenter Irritation und das unaufhörliche Bemühen der Figuren, zum Zwecke egoistischen Lustgewinns zu täuschen und zu verbergen. Das wurde alles mit köstlicher Überdrehtheit inszeniert und gespielt. Beim Ball des zwittrigen Prinzen Orlovsky, fand Adriana Altaras jedoch kaum überzeugende szenische Lösungen.

Die Darsteller, mit von rastloser Schönheit geprägten Kostümen bedacht, standen in einem aufwändigen und prachtvollen Bühnenbild (Ausstattung: Yashi Tabassomi) nur so herum, vor allem die Damen und Herren des Chores und mit wenigen Ausnahmen die Mädchen des Ballettstudios Erxleben. Der dritte Akt, das Gefängnis, sollte natürlich mit den kabarettistischen Auslassungen des Gerichtsdieners Frosch das Ganze wieder auffrischen. Die endlosen, kaum heiteren, manchmal sogar geschmacklosen Kommentare zur heutigen Potsdamer und brandenburgischen Politik des Allgäuers Jockel Tschiersch wirkten kaum lustig.

Schauspieler und Sänger standen in dieser Produktion gemeinsam auf der Bühne. Sie mussten teilweise opulente musikalische Partien bewältigen, die ansonsten nur von Opernsängern bedacht werden. Sopranistin Katrina Krumpane als Putze Adele und Tenor John Heuzenroeder als Opernsänger Alfred haben mit ihren trefflichen sängerischen Leistungen viel Freude bereitet. Sicherlich, man hat schon bessere Protagonisten in diesen Rollen erlebt, aber in der Inszenierung des Hans Otto Theaters verbreiteten sie stimmlichen Glanz, mit dem andere Darsteller kaum oder gar nicht aufwarten konnten, trotz ihres temperamentvollen und engagierten Einsatzes. Nein, an der Akustik lag es nicht.

Dagmar Manzel verfügt zwar über eine kräftige Stimme und über ein schönes Timbre in der Mittellage, doch die hohen Töne, die um einen Ton nach unten transponiert wurden, versucht sie mit einem Juchzer oder mit einem Hauchen zu kaschieren. Eric-Uwe Laufenberg hätte die Partie des Eisenstein erst gar nicht annehmen dürfen, denn die hohen musikalischen Anforderungen standen seinem gewandten darstellerischen Spiel im Wege. Auch Philipp Mauritz’ stimmliche Präsenz des Orlovsky fehlte das Schillernde. Man hörte Unfertiges bei seinen gesanglichen Möglichkeiten, insbesondere beim Falsettieren.

Man fragt sich nach dem Premierenabend, welchen Einfluss der musikalische Leiter der Aufführung, der Dirigent Michael Helmrath, bei der Auswahl von Sängern hatte. Hierbei hätte er verantwortungsvoll eingreifen müssen. Denn so, wie man es am Sonnabend vernahm, kann man keine klassische Operette hörbar machen, es sei denn, man will das Ganze zu einer Kabarett-Nummer verhunzen. Aber das wollte die Inszenierung sichtlich nicht. Michael Helmrath spielte mit seinen Brandenburger Symphonikern präzise, aber insgesamt zu brav.

Als der Vorhang nach dem Schlussbild dann fiel, brandete starker Beifall auf, der jedoch schon bald verebbte und sich mit Bravo- und mit vereinzelten Buhrufen – in Potsdam ein Novum – mischte. Das Uhrwerk der Vergnügungslust hat seine Grenzen.

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