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Kultur: Bloß weg!

Das Langzeit-Filmprojekt „Let“s go“ porträtiert sieben Potsdamer Abiturienten

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Das Abitur in der Tasche und die Anstrengungen der letzten Prüfungen noch in den Knochen werden sieben Jugendliche gefragt: „Und was passiert jetzt?“. Unter der Regie von Heike Ludwig interviewen sich im Filmprojekt „Let“s go – auf der Suche nach einer Zukunft“ Potsdamer Abiturienten und befragen sich gegenseitig zu ihren Zukunftsvorstellungen und Plänen. Das Zwischenergebnis – zwei weitere Porträts werden bis Januar 2007 fertiggestellt – präsentierten die Macher am Sonnabend im KunstWERK. Die kurzen Porträts entstanden in lockerer Atmosphäre, in den Wohnungen, bei der Familie oder im Grünen und zeigen die frisch aus der Schule Entlassenen voller Hoffnung,

Optimismus und Neugier auf die Welt. Und mit der Erleichterung und dem gutem Gefühl, einen wichtigen Lebensabschnitt zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht zu haben. Einen konkreten Plan hat nur Adrian, der den Anfang des Porträt-Reigens macht. Er startet demnächst seinen Zivildienst an einem psychatrischen Klinikum in Berlin als Vorbereitung für sein geplantes Studium der Neurobiologie an der Freien Universität. Soweit zu konkreten Vorstellungen.

Die folgenden sechs Porträtierten haben da eine etwas erweiterte Bandbreite der Zukunftsentwürfe. Als amüsantestes Beispiel sehen wir Robert, der in einem Satz die möglichen Studienfächer und Interessenfelder Jura, „irgendwas mit Europa“, Kulturwissenschaft, Spanisch und Politikwissenschaft aufzählt. „Vielleicht fang ich auch an zu schreiben“, fügt er hinzu und die Idee scheint ihm soeben in den Sinn gekommen zu sein. „So in der Richtung...“, lacht er.

Bei diesen Richtungsangaben spielt die Kompassnadel verrückt und doch geben sie ein typisches Stimmungsbild der Generation. Gleich in das Arbeitsleben einzusteigen, kann sich kaum einer vorstellen: „Ich würde wie eine Blume eingehen“, beschreibt Robert es. Dann doch lieber wie die Sonnenblume: der Sonne entgegen und ab nach Mexiko.

Generell dominiert das Fernweh die Pläne: ob ein Auslandsjahr in Frankreich, Ecuador oder auf familiäre Spurensuche nach Bulgarien: „Bloß weg!“ scheint zunächst die Devise. „Die Jugendlichen benötigen erst einmal den Abstand zur Schule“, erklärt Heike Ludwig. „Sie brauchen heutzutage einfach mehr Zeit, um sich zu orientieren.“ Wenn es nicht das Ausland ist, so sind es doch zumindest die eigenen vier Wände, nach denen sich die Jugendlichen sehnen.

Durch die relativ einseitige Auswahl der Abiturienten aus der kreativen Theater- und Kunstszene Potsdams krankt das Projekt etwas an mangelnder Abwechslung. Interessant wäre zum Beispiel auch der Blickwinkel eines Jugendlichen gewesen, der das Abitur nicht geschafft hat. Dennoch gelingt es „Let“s go“, den Betrachter mit in die vernebelte Sinnsuche zu ziehen, in der die junge Generation versucht, Halt zu finden. Die „Suche nach der Zukunft“ ist für viele zunächst das Ausprobieren, das Erforschen der eigenen Qualitäten und Talente und der Versuch, selbstständig seinen Lebensweg zu finden, wobei der direkte Weg beinahe kategorisch ausgeschlossen wird.

In fünf Jahren möchte die Potsdamer Regisseurin Heike Ludwig die Protagonisten erneut vor die Kamera holen. Vielleicht entwickelt sich „Let“s go“ dann zu einem Jahrzehnte füllenden Langzeitprojekt ähnlich der „Kinder von Golzow“. Christoph Henkel

Christoph Henkel

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