zum Hauptinhalt

Kultur: Blues, der wie der Mississippi fließt David „Honeyboy“ Edwards im Lindenpark

Die Musik von David „Honeyboy“ Edwards ist anders als das, was man ansonsten mit dem bekannten 12-Takt-Schema unter der Bezeichnung „Blues“ verbindet. Dieser Blues hat nicht den Swing von B.

Stand:

Die Musik von David „Honeyboy“ Edwards ist anders als das, was man ansonsten mit dem bekannten 12-Takt-Schema unter der Bezeichnung „Blues“ verbindet. Dieser Blues hat nicht den Swing von B.B. King oder den rollenden Rhythmus von Bo Diddley. Die ruhigen Songs von „Honeyboy“ Edwards fließen eher dahin – wie der Mississippi – ohne Anfang und ohne Ende. Der 89-jährige Edwards spielt den authentischen Delta-Blues. Jene Urform des weit verzweigten Bluesbaumes, die im Süden der USA, in der Mississippi-Region, durch farbige Baumwollarbeiter um 1920 erschaffen wurde. Das etwa 200-köpfige Publikum, das am Montagabend in den Lindenpark gekommen ist, passt sich der ungewohnten Konzertstimmung gerne an, es rückt dicht an die Bühne, als „Honeyboy“ und der Mundharmonikaspieler Michael Frank auf ihren Stühlen Platz genommen haben. Das Konzert wird zum Anschauungsunterricht in Sachen „Blues“. Edwards war Weggefährte des legendären Blues-Gitarristen Robert Johnson, von dem es heißt, er habe seine Seele an den Teufel verkauft. Von „Honeyboy“ weiß man, dass er nicht so erfolgreich wurde wie John-Lee Hooker. Sehr aufmerksam, fast schon andächtig, verfolgen die meist über 40-jährigen Zuschauer, wie der alte Mann mit der bunten Baseball-Kappe auf dem Kopf mit seiner elektrischen Gitarre langsam in den Groove kommt, wie er, in sich versunken, aber auch das Publikum beobachtend, mit rauer Stimme über zu viel Whiskey, gefährliche Frauen und das Wanderleben als Bluesmusiker singt. Auf die zerfaserten Schlussakkorde folgt respektabler Applaus. Was ein amerikanischer „Straßenmusiker“ drauf haben muss, demonstriert kurz zuvor Tom Shaka. Der Gitarrist, Sänger und Mundharmonikaspieler zeigt die ganze Bandbreite des Delta-Blues, vom mit den Füßen stampfenden „Walking-Blues“ über einen melodienreich gezupften Ragtime bis zu einer Acappella-Vorführung, bei der Shaka beweist, dass der Bluesgrundton „E“ dem buddhistischen „Omh“ sehr nahe ist. „Blues ist meditieren“, sagte Shaka zum Publikum und fordert es auf, mit einzustimmen. Shaka gesellt sich später als zweiter Gitarrist dazu. Ein Schlagzeuger ist nicht dabei. Wird auch nicht gebraucht. Den Takt gibt „Honeyboy“ vor, der das Tempo oft innerhalb der Stücke wechselt. Die Grundakkorde fließen, die Mundharmonika unterstützt im Hintergrund. Nur der zweite Gitarrist, der mit einem Metallrohr über die Saiten gleitet, setzt heulend-wimmernde Akzente. Wie eine Bootsfahrt auf dem Mississippi: Das Ufer rückt in die Ferne, ein Schaufelraddampfer taucht auf oder ein großer Ast, der im dunklen Wasser treibt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })