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Kultur: Brasilianische Farbigkeit ohne jede Folklore Quasar Companhia de Danca eröffnet die Tanztage

Heute Abend werden in der fabrik die 14. Potsdamer Tanztage eröffnet.

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Heute Abend werden in der fabrik die 14. Potsdamer Tanztage eröffnet. Den Auftakt bestreitet die Quasar Companhia de Danca aus Brasilien, mit deren Generaldirektorin Vera Bicalho die PNN zuvor ins Gespräch kamen. Was ist das für ein Gefühl, das Festival eröffnen zu dürfen? Das ist für uns etwas ganz Besonderes, vor allem eine große Herausforderung. Und wir spüren natürlich auch die Verpflichtung, die die fabrik mit uns eingeht. Auf was darf das Potsdamer Publikum gespannt sein? Es sieht ein Stück, das viel Energie und eine große Aufmerksamkeit für Details mitbringt. Vor allem erzählt es viel über die Kultur im Nordosten Brasiliens. Grundlage der Choreografie ist eine Fernsehserie, die in dokumentarischer Form Künstler und vor allem Musiker dieser Region porträtiert. Unser Choreograf hat die Musik und Gespräche – also den Soundtrack – herausgefiltert. Ihn interessierte die ganz bestimmte regionale Sprachmelodie, die er ins Spannungsfeld zu den zeitgenössischen Bewegungen des Tanzes setzte. Wie ordnet sich Ihre Gruppe in die moderne Tanzszene Brasiliens ein? Wir gehören zu den drei größten Compagnien des Landes. Über die Qualität möchte ich nichts sagen. Wir bestehen aus 16 Tänzern und für uns ist es wichtig, dass nicht der Kopf das Team ausmacht, sondern die Kreativität jedes Einzelnen einfließt. Wie sind bei Ihnen die Arbeitsbedingungen für das freie Tanztheater? Sehr, sehr hart. Es ist ein täglicher Kampf ums Überleben, da man von den Eintrittsgeldern und Honoraren nicht leben kann. Das Einzige, was hilft, sind Sponsoren. Doch die sind schwer zu finden, und wenn welche bereit sind, den modernen Tanz zu unterstützen, gibt es eine sehr ungerechte Verteilung in Richtung Südosten: nach Rio de Janeiro und Sao Paulo. Wo ist Ihre Gruppe zu Hause? In der Mitte des Landes, in Goiania, 200 Kilometer von Brasilia entfernt. Als wir uns vor 16 Jahren gründeten, betraten wir absolutes Neuland. Wir sind aus einer Jugendtanzgruppe hervorgegangen, die etwas Anderes wagen wollte. Bekamen Sie Unterstützung? Anfangs wurden wir schon willkommen geheißen, erhielten von den kleineren Firmen der Stadt Hilfe. Zudem bestanden gute Möglichkeiten, professionelle Tänzer und auch Proberäume zu bekommen. In dieser Stadt zu bleiben, hatte auch etwas mit künstlerischer Kreativität zu tun, mit der Möglichkeit, ganz Eigenes zu schaffen. Wir griffen die Strömungen der Gegend auf und durch das persönliche Schaffen unseres Choreografen Henrique Rodovalho, der viel in der Welt unterwegs ist, kam auch die Inspiration von außen. Insofern unterscheiden wir uns schon von den Strömungen im Südosten. Wie sieht Ihre jetzige Situation aus? Die Firmen vor Ort unterstützen uns nach wie vor. Aber mit dem Wunsch, zu wachsen, hat sich auch unsere finanzielle Bedürftigkeit verändert. Deshalb begaben wir uns 1999 auf Sponsorensuche durchs ganze Land, und wurden schließlich Partner der brasilianischen Telekom. Mit diesem Rückenwind konnten wir unsere Stücke zu einem ganz anderen Niveau führen. Wir empfinden es jedenfalls als Privileg, in Goiania arbeiten zu können und stören uns auch nicht an die oft vertretene Meinung, dass die Kreativsten aus Rio oder Sao Paulo kommen. Wie veränderte sich im Laufe der Jahre Ihre künstlerische Sprache? Wir veränderten uns, indem wir versuchten, mit jedem neuen Werk etwas zu untersuchen, was wir vorher nicht machten, Themen zu finden, die uns an die Grenze führen. Welche Grenze ist das bei „Coreografia para ouvir“ (Choreografie zum Hören), das sie in Potsdam vorstellen? Zwei Aspekte. Zum einen ist es die verarbeitete Musik aus dem Nordosten, die eine sehr starke Persönlichkeit hat. Sie trifft auf den zeitgenössischen Tanz: somit begegnen sich zwei Universen, die es in ihrer Eigenheit zu belassen gilt. Sie sollen nicht verschmelzen, sondern im Miteinander ihre Stärke beweisen. Unsere „Choreografie zum Hören“ war für uns auch deshalb ein entscheidender Schritt, da ein sehr großer Erwartungsdruck auf ihr lastete. Wir haben für unsere vorangegangene Produktion fünf nationale Preise erhalten, da schauen alle um so interessierter auf das Folgende. Mit unserem aktuellen Stück sind wir das erste Mal in die Welt hinaus gegangen: mit brasilianischer Kultur, ohne folkloristischen Anklang, aber national spezifisch. Waren Sie schon in Deutschland? Ja, wir waren in Hamburg zu Gast, und das war ein sehr schönes Erlebnis. Wir hatten den Eindruck, dass sich zwei Kulturen gefunden haben. Das deutsche Publikum ist ganz besonders leicht zu berühren: durch unsere Energie, Farbigkeit und die erzählerischen Momente. Und auch die humorvollen Teile funktionierten ausgesprochen gut. Haben Sie selbst auch schon getanzt? Ja, ich bin Tänzerin. Aber da ich mit der Geschäftsführung so viel zu tun habe, zog ich mich zurück. Ich denke öfter darüber nach, wieder auf die Bühne zu gehen, aber dann wäre ich wohl nur halb präsent, weil der andere Teil von mir zu beschäftigt ist mit anderen Dingen. Aber um auf Ihre Anfangsfrage zurück zu kommen. Es ist für uns wirklich eine wunderbare Aufgabe, dieses Festival eröffnen zu dürfen. Es existiert bereits seit 14 Jahren und man spürt in den Räumen seine Geschichte, wie darum gekämpft wurde. Jetzt sind wir ein Teil davon, und das macht uns glücklich. Wir hoffen, den Leuten gefällt, was wir mitgebracht haben.Das Gespräch führte Heidi Jäger Wir versuchen immer wieder Themen zu finden, mit denen wir an unsere Grenzen stoßen. Bei „Choreografie zum Hören“ trifft unser Tanz auf die sehr starke Musik Nordbrasiliens.

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