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Kultur: Briefe ohne Antwort

Wieland Förster liest heute aus „Der Andere“

Stand:

So viel Sehnsucht in diesem Buch. Verteilt auf 44 Briefe, die zwar einen Adressaten haben, aber unbeantwortet bleiben. Und so zu den Monologen eines Mannes verdammt sind, der sich als Ausgegrenzter fühlt, fühlen muss.

Friedrich K. ist sein Name, Ingenieur und im 50. Lebensjahr. Sein Jubiläum wollte er zusammen mit ehemaligen Kommilitonen feiern. K. hatte eigens ein Zugabteil für die gemeinsame Geburtstagsreise nach Prag reserviert. Doch bei der Abreise sitzt er allein in dem Abteil. Nur eine weitere Bestätigung für den fettleibigen, ständig schwitzenden K., dass er anders ist. Die Demütigung des Außenseiters ist das Glück der Tschechin Alena, die im Zug nach Hause zu ihrem Mann und ihren Kindern verzweifelt einen freien Platz sucht und diesen im Abteil von K. findet. Und K., dieser stille, so introvertierte und von dem träumend was Elena mit ihrer Familie besitzt, findet in dieser fremden Frau endlich einen Menschen, dem er sich anvertrauen, dem er sich mit Worten hingeben kann.

„Der Andere. Briefe an Elena“ heißt der Roman von Wieland Förster, in dem Friedrich K. seine 44 sehnsuchtsvollen, sprachlich so brillanten und trotzdem ständig unbeantworteten Briefe an Elena schreibt. Heute liest Wieland Förster aus seinem 1982/83 entstandenen, aber erst im vergangenen Jahr auf Betreiben des Brandenburgischen Literaturbüros im Lukas Verlag erschienenen Briefroman in der Villa Quandt.

Förster, 1930 in Dresden geboren, ist in Potsdam vor allem durch sein künstlerisches Werk als Bildhauer wie den Skulpturen „Nike 89“ an der Glienicker Brücke und „Das Opfer“ im Hof der Gedenkstätte Lindenstraße 54/55 bekannt. Im Januar wurde dem mittlerweile 80-jährigen Wieland Förster die Ehrendoktorwürde der Universität Potsdam verliehen.

Als Förster 1983 das Manuskript zu „Der Andere“ fertiggestellt hatte, ließ er es wohlweislich in der Schublade seines Schreibtisches liegen. Denn in seinen Briefen schreibt ausgerechnet mit K. ein sich ausgegrenzt Fühlender, ein gemiedener über das so starre, begrenzende und totalitäre Korsett des Staates DDR, in dem doch alle Menschen gleich behandelt werden sollten. Förster, gegen den in den Jahren 1968 bis 1972 staatliche Stellen der DDR aus ideologischen Gründen Ausstellungsverbote verhängten und seine Arbeit behinderten, wusste nur zu gut, dass ein solcher Briefroman mit seiner subtilen Kritik und damit verbundenen gnadenlosen Bloßstellung in der Deutschen Demokratischen Republik nie erscheinen würde. Doch auch wenn „Der Andere. Briefe an Elena“ 26 Jahre zu spät erschienen ist, gilt es heute erst recht diesen faszinierenden Roman zu entdecken. Dirk Becker

Wieland Förster liest heute, 20 Uhr, in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstr. 46/47. Das anschließende Gespräch moderiert Hendrik Röder. Karten zum Preis von 6, ermäßigt 4 Euro können reserviert werden unter Tel.: (0331) 280 41 03

Dirk Becker

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