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Kultur: Buddy-Buch

André Kubiczek las im Literaturladen Wist

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Keine Spur von Heimweh war André Kubiczek anzumerken, als er am Montag in der Buchhandlung von Carsten Wist seinen Roman „Oben leuchten die Sterne“ vorstellte. Kubiczek verließ die Stadt nach der Wende, um in Berlin zu leben. Ob er hier noch Freunde hätte? Keine, sie wären ebenso wie er nach Berlin gegangen. Aber auf dem Fußweg vom Bahnhof wäre ihm auf der Straße, die in die Stadt führt – er kenne die neuen Straßennamen leider nicht – ein Maßschneider aufgefallen. Mit dem habe er früher Hockey gespielt. Das klingt alles ein wenig kauzig und verschroben für einen, der erst 38 Jahre alt ist. „Allerdings“, räumt Kubiczek in einer Art ein, die bescheiden und ironisch zugleich wirkt, „gibt es in Berlin Viertel, in denen ich noch seltener als in Potsdam bin.“ Der Wedding zähle dazu. Die „drei, vier Straßen“ um seinen Wohnort in Berlin Mitte verlasse er nur selten.

Sein erster Roman „Junge Talente“ erschien vor vier Jahren und wurde mit Euphorie angenommen. Ein Jahr zuvor hatte sich Kubiczek entschieden, seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben zu verdienen. „Cool“ sei es, Schriftsteller zu sein, erzählt er den Zuhörern im Literaturladen, immerhin habe er schon vor fünfzehn Jahren diesen Wunsch gehabt. Das war Mitte bis Ende der 80er Jahre, in der Kubiczek regelmäßig Gast im legendären Café Heider war, die dortige Subkultur beobachtete und Martini trank.

Für den Autor ist dies die erste Lesung aus seinem neuen Buch. Eigentlich wollte er über seine Generation schreiben. „Da wäre ich aber schnell am Ende gewesen, denn in dieser Generation passiert ja nichts.“ Doch die wohlstandsverwöhnten Mitdreißiger, Angehörige des „allerfeinsten Freelance Proletariat“, die es gewöhnt sind, sich in Comic-Sprache zu unterhalten, sind dennoch Ausgangspunkt seiner Geschichte, die sich von Beginn an rasant zu einem Abenteuerroman entwickelt. Ein „Buddy-Buch“, könnte man es angelehnt an das Filmgenre nennen. Die beiden Helden Rock und Bender teilen sich sowohl eine Wohngemeinschaft als auch die Ziellosigkeit ihres Lebensentwurfs. Der Einladung eines Bekannten namens Dusch folgen sie gerne und verlassen die Hauptstadt mit einem alten VW-Bus Richtung Urlaub, Süddeutschland und Abwechslung. Schon auf den ersten Seite passiert Unvorhergesehenes. „Das Unheil nahm seinen Lauf“, liest Kubiczek den Klassiker unter den Sätzen der Spannungsunterhaltung. Nur ganz knapp entkommen die beiden Helden einem Verkehrsunfall. Kubiczek bedient sich der Form des Trivialromans, gibt ihr durch eine leicht schulmeisterliche Erzählerstimme die nötige Ironie, und führt diese unvermittelt in kritische, bisweilen gallige Schilderungen deutscher Gegenwart und Vergangenheit. Das Geheimnis um das Testament von Benders Großvater ist das Vehikel, genaue Beobachtungen der sozialen Veränderungen anzustellen.

Da ist der Vater, früher Ingenieur in der schon lange abgewickelten Stahlhütte, der nach der Wende zunächst zum Verkäufer und dann zum Webdesigner umgeschult wurde. Schließlich, weil die Geschäfte der Stadt alle geschlossen wurden und die Internet-Blase zerplatzte, findet er sich neben den einhundert alten Kollegen im Stadtpark wieder, um Laub und Müll aufzusammeln. Ein unbekanntes Kapitel in der deutsch-deutschen Geschichte, das Vorgehen antikommunistischer Geheimgruppen in Westberlin, hat Kubiczek ebenfalls in seine Geschichte eingeflochten. Wie aufmerksam Leser mit diesem Stoff umgehen, zeigte ein Zuhörer. Kubiczek beschreibt eine Demonstration 1953 in Ostberlin, bei der aus Protest die Hammer-und-Zirkel-Symbole aus der DDR-Fahne geschnitten worden sind. „Historisch unzutreffend“, beschied der Kenner. Die allen bekannte Staatsflagge der DDR wurde wesentlich später eingeführt, nämlich 1959. Bis dahin galt auch für den Osten: Schwarz, Rot, Gold.

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