Kultur: Bunte Platte wird feiner
Comedy-Scheune mit Thomas Nicolai, der Comedy Company und Chin Meyer
Stand:
Die Comedy-Scheune, die monatlich einmal auf dem Malzboden im Krongut stattfindet, ist die Übersetzung eines eingeführten Fernsehformats ins Brandenburgische. Gewöhnlich führt ein Moderator, wie Vorbild Thomas Herrmann mit seinem Quatsch-Comedy-Club, durch ein jeweils wechselndes, von ihm zusammen gestelltes Programm, während das Publikum an Tischen Platz genommen hat, isst, trinkt und sich amüsiert. Die Potsdamer Variante, Thomas Nikolai statt Herrmann, Büffelbier statt Sekt, Wurstplatte statt Kanapees, trifft auch beim dritten Abend offensichtlich das Gespür des Publikums. Der rustikale, von schweren Dachbalken durchzogene Saal im Krongut ist wieder ausverkauft. Die rundum bestuhlten Tische, auf denen die Fleischteller bereits warten, stehen eng wie Zahnräder in einem Getriebe. Es schafft herzliche Nähe, wenn einem der Rücken des Nachbarn für diesen Abend näher ist als die eigene Gattin, die eigentlich neben einem platziert sein sollte und – da hat sie nun wirklich Pech gehabt – auch noch mit dem Rücken zur Bühne sitzt. Wenn die Kellner Nachschub an Büffelbier an die Tische bringen wollen, beginnt ringsherum eine lustig anzuschauende Rochade. Danke. Darf ich mal. Sehr freundlich. Aufstehen, setzen. Doch alle sind ganz locker. Alt neben ganz jung, Yuppie- neben Familientischen. Diese Enge, das Diktat des Nichtvegetarischen vor der Nase, das könnte auch völlig daneben gehen. Doch weil das Programm mit Nicolai und seinen Gästen von der Comedy Company und dem Steuerfahnder Chin Meyer wirklich hervorragend ist, kann man den Veranstaltern zu ihrem Mut nur gratulieren. Große Unterhaltung, unvergesslich, letztendlich gerade auch wegen dieser speziellen Atmosphäre.
Nicolai, das weiß man seit Beginn, brilliert besonders als Stimmenimprovisator. Sein Opener zur Einstimmung zieht inhaltlich auf das Zotige, aber wie da der Lehrer, unverkennbar Marcel Reich-Ranicki, seine Schüler Didi Hallervorden, Götz George, Peter Maffay, Helge Schneider, Klaus Kinski und schließlich Herrmann van Veen in schnellem Rollenwechsel zur Sittsamkeit gemahnt, ist schon grandios.
Alexis Kara und Stefan Graën sind Teil eines auf lustige Sketche spezialisierte Gruppe von Improvisationsschauspielern, die sich Comedy Company nennt. Hier wird das Publikum gefordert, das durch Vorgaben von Situationen und Begriffen Einfluss auf das damit ad hoc gespielte Stück nehmen kann. Klar, dass die Zurufe im sich warmgelachten Saal immer dann besonderes Gefallen finden, wenn die eingeforderte Stimmung „erotisch“ heißt und gänzlich ins Fäkale abzudriften droht, oder die Handlung in einem „Bundestagsbordell“ spielen soll.
Cleveren Spielwitz und enorme Wandlungsfähigkeit zeigen Kara und Graën bei der spontanen Verwandlung einer an sich profanen Situation in eine Mantel-und-Degen-Szene und in eine Adaption der Augsburger Puppenkiste. „Schwing“ machen die Degen in dem pantomimischen Kampf zwischen den Musketieren, und Jim Knopf wackelt mit an imaginären Strippen hängenden Armen über die Bühne. Da gibt es lauten Szenenapplaus, denn in diesen Varianten hatte man einen simplen Disput über die Reinigung eines verstaubten Stuhls bestimmt noch nie gesehen.
Eine Entdeckung, ja eine Offenbarung, ist Chin Meyer, der mit seiner Rolle als Steuerfahnder Siegmund von Treiber jede Empfehlung wert ist. „Nett geschleimt“, kanzelt er seine hymnische Einführung durch Nicolai kurz ab. Dem Publikum geht es nicht besser. Als „Aldinachrechner und Tupperpartyveranstalter“, die sich blond gefasste Zweitfrauen hielten, wird es begrüßt. Meyer zieht seine Rolle des kompromisslosen Beamten, der „den Potsdamer Steuersumpf trocken legt“, gnadenlos durch. Sein harscher Ton trifft jede Pointe exakt. Mal überfordert er mit missmutigem Vergnügen sein Publikum, in dem er den griechischen Philosophen Anaximander zitiert, um die Herkunft von Steuern zu erklären, mal wird er grenzwertig zynisch. „Lachen sie nur“, meint Treiber lakonisch zum Publikum, „das letzte Mal, als wir vom Finanzamt etwas Lustiges vorhatten, hat sich Möllemanns Fallschirm nicht geöffnet.“ Meyer geht an die Grenze, aber seine Kommentare und Scherze zu Hartz IV, die Finanzpolitik, den Karrikaturenstreit, den Papst und die Kirche („Benedikt der XVI. hätte ja am liebsten alle Homosexuellen direkt exkommuniziert. Dann ständen aber 70 Prozent aller katholischen Gemeinden auf einmal ohne Priester da“) sind brillant, komisch und intelligent. Wer sagt da noch, dass Comedy nie politisch und relevant sein könnte? Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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