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Kultur: „Butter für Königes Hunde“

Elisabeth M. Kloosterhuis berichtet über die Tafelfreuden des Soldatenkönigs

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An der Tafel des Soldatenkönigs „gab es nur das Nötigste“, ja, seine Kinder waren „aus Mangel an Essen abgemagert wie die Schindmähren“. So schreibt Prinzessin Wilhelmine, eine der überzeugtesten Feindinnen ihres königlichen Vaters, in ihren Memoiren. Nahezu alle Autoren, die König Friedrich Wilhelm I. (reg. 1713-1740) als Grobian und Despoten darstellten, übernahmen dankbar dieses Bild, das allerdings einen Fehler hat: Es stimmt nicht.

Die Richtigstellung ist Elisabeth M. Kloosterhuis zu danken, die jetzt im Berlin Story Verlag ein Buch „Soldatenkönigs Tafelfreuden“ vorgelegt hat. Außerordentlich sorgfältig recherchiert, widerlegt es schon im Eingangskapitel „Wie Friedrich Wilhelm I. speiste “ komplett die „Boshaftigkeiten“ seiner Tochter Wilhelmine. Angeführt von einem Küchenchef, der schwindelerregende 4000 Reichsthaler Jahresgehalt bezog, werkelten drei Dutzend Köche und Hilfen, die bei einem „einfachen Mittagessen“ nach der Jagd Vorspeisen, Fisch, große Platten mit Rind, Hase, Fasan, Birk- und Rebhühnern bis hin zu Desserts auf den Tisch brachten. Dazu wurden Unmengen Rheinwein, Muskateller und Tokajer getrunken. Der britische Baronet Stanhope brachte es auf acht Flaschen und machte anschließend der Königin noch einen Anstandsbesuch.

Bei einem Besuch des Moscowitischen Gesandten wurde mittags und abends getafelt, jeweils mit je 14 Gängen, als 15. dann „Butter für Königes Hunde“. Bei solchen Festlichkeiten fehlten weder Austern (von denen der König allein bis zu 100 am Stück aß) noch Morcheln, Trüffeln, Krebse, Neunaugen, Rillettes (in Schmalz eingekochtes Fleisch), Pie (Würzfleisch im Teigmantel), Teltower Rübchen bis hin zu Croqui (Hoden) und Calcune (Nieren). Für die zur Bewachung kommandierten Langen Kerls gab es Sülze, Rühreier, Erbsen mit Speck, aber auch Hecht und gefüllte Gans.

Der König, der über alle Ausgaben Buch führte, vermerkte für den 5. bis 12. Juli 1717 insgesamt 582 Reichsthaler Ausgaben für seine Küche. Der Gelehrte und als „lustiger Rat“ in das Tabakskollegium einbezogene David Faßmann kommt zu dem zusammenfassenden Urteil: „Was die Königl. Tafel betrifft, so gehen in verschiedenen fremden Ländern viele gantz falsche und wunderliche Erzehlungen davon im Schwange, da es doch ganz anders damit beschaffen. Denn obgleich der allzu große Überfluss abgeschafft, so ist doch die Küche und die Tafel Sr. Majestät auf eine höchst rühmliche, löbliche und recht edle Art eingerichtet.“ Der nur 1,64 Meter große Friedrich Wilhelm I. wog schon mit 39 Jahren 229 Pfund, am Lebensende 270 Pfund. Doch er aß und trank nicht nur gern, für die Reputation seines jungen Königreichs stellten repräsentative und reich gedeckte Tafeln eine Repräsentationspflicht dar. Auch diesen wichtigen Umstand vermerkt Elisabeth M. Kloosterhuis. Im zweiten Teil des Buches bringt sie an die 60 Rezepte. Das verblüfft, denn schon die Hofköche des 18. Jahrhunderts hüteten streng ihre Küchengeheimnisse. Wo Kochbücher erschienen, verzichteten sie meist auf Mengenangaben und die Nennung der Gewürze. Außerdem wurde damals für 30 bis 50 königliche Tafelgäste gekocht, die Autorin hat die Rezepte auf Vier-Personen-Haushalte runtergerechnet.

Soviel meisterliche Recherche und so immenser Fleiß zwingen den Leser geradezu, das eine oder andere Gericht nachzukochen. Zeit sollte er mitbringen, denn für eine Bouillon wird natürlich kein Brühwürfel aufgelöst, sondern mindestens eine Stunde Fleisch gekocht. Doch man muss sich ja nicht gleich an Wildpastete mit Nierenfett und zehn verschiedenen Gewürzen heranwagen. Weiße Rüben mit Hammelfleisch gehen viel leichter. Genauso schmecken wie an des Soldatenkönigs Tafel werden die Gerichte dennoch nicht. Seit jener Zeit hat sich vom Anbau des Gemüsesorten über das Aufbewahren von Gewürzen bis zur Konservierung von Fleisch so ziemlich alles geändert, was den Lebensmitteln Geschmack verleiht.

Elisabeth M. Kloosterhuis, Soldatenkönigs Tafelfreuden, Berlin Story Verlag, 2009, 19,80 Euro.

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