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Kultur: Cainesche Widerhaken

„Wagner e Venezia“ im Raffaelsaal

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„Ernste Stimmung“, „Markusplatz von zauberischem Eindruck“, „Größe und Verfall dicht beieinander“, kurzum: „alles wirkt wie ein Kunstwerk.“ Solche Eindrücke vom morbiden Charme Venedigs schreibt Richard Wagner anno 1858 in sein Tagebuch, als er erstmals die Lagunenstadt besucht. Fünf weitere Aufenthalte sollten noch folgen. An die damalige Gattin Minna schreibt er: „Kurz, ich glaube die Wahl von Venedig war die glücklichste, die ich hätte treffen können“. Eine nicht weniger vortreffliche trafen die Musikfestspiele mit ihrem im Raffaelsaal der Orangerie vorgezeigten Programm „Wagner e Venezia“, um damit der „Serenissima“ eine weitere Facette abzugewinnen.

Was der Erfinder des Gesamtkunstwerkes über die Stadt, ihre Bewohnerinnen, Matrosen und Gondolieri ausführlich zu berichten weiß und Gattin Cosima in ihren Aufzeichnungen akribisch ergänzt, wird von Schauspieler, Regisseur und Theaterintendant Uwe Eric Laufenberg vorgelesen. Ein Genuss ists leider nicht. Zwischen Wagnertexten und eingestreuten biografischen Anmerkungen (von ihm verfasst?) macht er rhetorisch keinen Unterschied. So hat man Mühe, gedanklich zu trennen, was nicht zusammengehört. Es scheint, als trüge er einen Reisebericht vor: nüchtern, unkonzentriert (mit vielen Versprechern), ziemlich rasch, routiniert, in einem durchgängigen Mezzoforte. Dafür entschädigt das Uri Caine Ensemble umso mehr. Es spielt klangschräge Arrangements Wagnerscher Werke (wie die Ouvertüren zu den „Meistersingern“ und „Tannhäuser“) in einer Besetzung für Kaffeehausorchester – wie dem vom Caffé Quadri auf dem Markusplatz. Unter Cainescher Klavieranführung holen zwei Geigen, je ein Violoncello, Akkordeon und Kontrabass das Schwülstige und Pompöse, die Hohlheit mancher harmonischer Endlosschleife des Meisters vom Sockel. Köstlich, wie trivial plötzlich manches aus dessen Edelnotenfeder klingt, wenn es mit Caineschen Widerhaken versehen ist. Aufreizend, wie der provokante Grenzgänger zwischen Klassik und Jazz den „Walkürenritt“ aus sozusagen chaotischem Urzustand entstehen und wieder darin verschwinden lässt. Mit Vorspiel und Liebestod aus „Tristan und Isolde“, passend zu Wagners Tod in Venedig, endet die beifallsheftig aufgenommene Episode zwischen dem Komponisten und der „Serenissima“. Als Zugabe spielt Caine hinreißend einen Mozart-Jazz-Mix.Peter Buske

Peter Buske

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