zum Hauptinhalt

Kultur: California Dreaming

Die Villa Schöningen zeigt Bilder der bröckelnden Vereinigten Staaten aus der Sammlung Falckenberg

Stand:

Reich werden und dann ganz schnell abhauen. Das sei der kalifornische Traum gewesen, findet Sammler Harald Falckenberg. Der aber sei heute verblasst. Was sich auch in der Kunst aus den Vereinigten Staaten zeige. Sie ist ab heute in der Schau „California Rhapsody“ in der Villa Schöningen zu sehen.

Falckenberg einigte sich mit dem Eigentümer der Villa, Springer-Vorstand und Potsdamer Mathias Döpfner, schnell darauf, eine Ausstellung zum fünfjährigen Jubiläum des profilierten Ausstellungshauses mit Werken aus seinem Fundus zu bestücken. Aber es sei keine Sammlerausstellung. „Was bleibt, sind die Künstler und ihre Kunstwerke“, sagt Falckenberg. Der gesellschaftliche Kontrast, der sich in den Arbeiten der kalifornischen Künstler zeige, interessiere ihn. „Wenige ganz Reiche und viele ganz Arme finden sich an der kalifornischen Küste.“ Diese Fokussierung passe gut zur Villa Schöningen, die, an der Glienicker Brücke gelegen, als ehemaliger Agentenaustauschpunkt ebenso Historie und Hoffnungen fokussiere. Hoffnung und Zusammenbruch finden sich auch in der Ausstellung.

Kalifornien war schon immer ein Sehnsuchtsort. „California dreaming on such a summers day“ sangen die „The Mamas and the Papas“. Amerikanische Siedler brachen nach Westen auf, um sich ihren Traum vom freien und ungebundenen Leben zu verwirklichen. Der Staat sollte sich aus den Belangen der Bürger heraushalten, die freie Wirtschaft sollte sich entfalten. Das galt auch im vorherigen Jahrhundert noch. Aber auch Surfer werden älter und bekommen faltige Haut, wie eine Zeichnung von Raymond Pettibon zeigt. Ein blasser Hauch vom ehemaligen Traum der Blumenkinder weht durch die Räume der Villa, wenn Diana Thaters Chrysanthemen im Video ihre prächtigen Blätter entfalten. In unmittelbarer Nachbarschaft ragt ein zu praller Größe aufgeblasener, meterhoher Plastikpenis von Paul McCarthy in die Höhe.

Sex ist überhaupt ein großes Thema bei McCarthy. Genervt vom internationalen Tanz des Kapitals um die Kunst luden McCarthy und Jason Rhoades zur Biennale in Venedig 1999 Sammler und Galeristen ein und dozierten kritisch zum Kunstmarkt. In einem Nebenraum des Vortragssaals vergnügten sich gut sichtbar zwei Pornodarstellerinnen. Der Kunstmarkt: ein Pornobusiness. Das Video, die Skizzen und Skulpturen zur Ausstellung erwarb Falkenberg. Die Installation der 600 Quadratmeter großen Werkgruppe mit dem passenden Titel „Trojanisches Pferd“ in seiner Sammlung verlief allerdings etwas problematisch. „Erst haben die Künstler mir Dach und Wände eingerissen, um die Skulpturen überhaupt ins Lager zu bekommen, und dann auch noch alles festgeklebt, damit ich die Sachen nicht verrücken kann“, so Falckenberg.

Der kalifornische Traum wurde nicht selten zum Alptraum. Falckenberg erinnert an Charles Manson, der im Drogenwahn den Mord an der Familie des Regisseurs Roman Polanski befahl und der heute in einem kalifornischen Gefängnis einsitzt. Auch andere Träume platzten. Immobilienträume. Schutthaufen, leere Zimmerfluchten, verwaiste Bauten, die an geröllbedeckten Straßen stehen, zeigen die Fotografien von Lewis Baltz. Eine Siedlung, mit viel Kapital in die Wüste geklotzt, im Zuge der geplatzten amerikanischen Immobilienblase aber nie besiedelt. Das Kapital suche sich heute andere Wege als zu Zeiten des amerikanischen Traums, vermutet Falckenberg, Amerika sei zur Dienstleistungsgesellschaft geworden. Reichtum konzentriere sich heute nicht mehr im Finanzzentrum New York, sondern an der US-amerikanischen Ostküste, dort wo die Internetmillionäre Google und Silikon Valley sind. Viele andere seien ohne Orientierung.

Menschen, die seltsame Verrichtungen ausführen, merkwürdige Gegenstände, trübselige Wüsten illustrieren das Leerlaufen des US-amerikanischen Traums in den Fotografien von Larry Sultan und Mike Mandel.

Und auch John Baldessari hat keine sonderlich guten Erinnerungen an seine Heimatstadt. Die Trostlosigkeit der Straße seines Geburtsortes verdeckt er mit einem monochromen Kreis, auf die Fotografien gemalt. Der Tanz ums goldene Kalb habe aber auch vor Baldessari nicht haltgemacht, resümiert Sammler Falckenberg. Mittlerweile würden die Arbeiten des Amerikaners zu exorbitanten Preisen gehandelt.

Überhaupt zeige die Ausstellung in der Villa Schöningen das Bild eines Landes, das heute so nicht mehr existiere. Es seien Bilder aus den 70er-, 80er-Jahren. „Eigentlich ist es eine sentimentale, romantische Ausstellung“, so Falckenberg. Das heutige Kalifornien mit seinen Datenautobahnen und Jungstars, die in kurzer Zeit zu unvorstellbarem Reichtum gelangen, habe sich in der Kunst noch überhaupt nicht niedergeschlagen. Aus Angst der Künstler? Schließlich seien die vielen neu errichteten Museen in Amerika privat organisiert. Und auch der Künstler lebt nicht von der Kunst, sondern vom Schnitzel.

Richard Rabensaat

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })