Kultur: Carolinen-Weihe
Der Förderverein des Potsdam-Museums erinnerte an die Dichterin Caroline Rudolphi
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Gut gemeint waren die beiden Veranstaltungen Sonnabend und Sonntag in der Neuendorfer Kirche zu Babelsberg schon, aber auch nicht vollkommen. Unter dem Titel „Sing’ ich, geliebte Leyer, Dir heut ein kleines Lied“ wollten der Förderverein des Potsdam-Museums und die Kirchgemeinde vor Ort an die Dichterin und Pädagogin Caroline Rudolphi erinnern.
Den Anlass dazu lieferte nicht nur das endlos lange Jubeljahr zum Dreihundertsten von Preußens Fritz, sondern auch die Tatsache, dass diese merkwürdige Frau einen Teil ihrer Jugend in dem 1750 gegründeten Nowawes zugebracht hatte. Der Veranstalter wollte mit diesem musikalischen Leseprogramm zugleich an „bürgerschaftliches Engagement“ im doppelten Sinne erinnern: einmal, was den Wiederaufbau der gastgebenden Anger-Kirche betrifft, zum anderen wegen der Verbindung der zu ehrenden Person mit dem „Benda’schen Salon“ gleich um die Ecke. In seinem Hause, eine Schenkung Friedrich II., hatte der Violinist und Komponist Franz Benda „eine eigenständige Kulturszene vor den Toren Potsdams“ (so steht es Programmheft) aufgebaut, wozu neben der Rudolphi (1753-1811) auch Juliane Benda und der königlich-preußische Kapellmeister Johann Friedrich Reichardt gehörten.
Bürgerschaftliches Kultur-Engagement also jenseits von Residenz und Hof. Hier wurde die Lyrikerin entdeckt und gefördert, hier begann man, einige ihrer schönen Gedichte wie „Das Glück des Lebens“ oder „An die Nachtigall“ zu vertonen. Obwohl nach dem Tod ihres Vaters 1763 in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, verhalf ihr die Begegnung mit diesem Nowaweser „Salon“, wo Gellert und Hagedorn, Wieland und Goethe gelesen wurden, zu einem besseren Start ins Leben. Später tat sie sich als Pädagogin hervor, gründete ein „Erziehungsinstitut“, schrieb sogar den zweibändigen Briefroman „Gemälde weiblicher Erziehung“ (1807) im Geiste von Rousseau und Pestalozzi. Sie galt und gilt als Philanthropin.
Der knapp zweistündige Abend gliederte sich in die Lesung der Germanistin und Rudolphi-Biografin Gudrun Perrey und in einen rezitatorisch-musikalischen Teil, den die hervorragend gestimmte Sopranistin Juliane Sprengel und der Gitarrist Frank Riedel zu gestalten hatten. Eshandelte sich ausschließlich um Vertonungen von Johann und Juliane Reichardt, geborene Benda. Wenn die Vokalistin neben lyrischer Gefühlstiefe der Lyrikerin auch die Kompositionsstrukturen ihrer Gönnerschaft lobte, so wird man diesen Tondichtungen doch eine gewisse Gleichförmigkeit nicht absprechen können. Gerade hier hätte es beim Interpretieren mehr Mut zum Kolorit, zum Temperament gebraucht. Dafür lernte man, wie leicht sich Stimmungen notieren lassen: „An Silvius“ (1776) sollte einfach „froh“ vorgetragen werden, „Der Morgen“ schlichtweg „heiter“. Wo man sich daran hielt, da gelang es auch.
Im Gegensatz zu Juliane Sprengel blieb es bis zum Schluss äußerst anstrengend, der promivierten Germanistin zuzuhören. Akustisch war kaum zu verstehen, was sie den gut zwei Dutzend Besuchern an neuen und aufregenden Forschungsergebnissen über ihre Lichtgestalt mitzuteilen hatte. Distanz war hier ohnehin nicht zu erwarten. Letztendlich kam man von deren Verdienst an die Pforten der Tränen. Die Stimmung im Raum wurde immer hehrer, weihevoller, trauriger. Fehlte nur noch, dass ein Sternschweif den Weg zum Astrum Rudolphi angezeigt hätte. Es war wie so oft: Die gute Absicht reifte nicht ganz aus!Gerold Paul
Gudrun Perrey „Das Leben der Caroline Rudolphi 1753-1811“, erschienen im Universitätsverlag Winter, Heidelberg, 330 Seiten, 28 Euro
Gerold Paul
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