Kultur: CDU versucht es mit Kabarett
Satire in Not: dem Obelisk geht es schlecht und Niekisch will helfen
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Satire in Not: dem Obelisk geht es schlecht und Niekisch will helfen Von Matthias Hassenpflug Gerade im Wahlkampf müsste es dem Witz eigentlich richtig gut gehen, an jeder Ecke hängt etwas zum Lachen und auch die Zeitungen sind voll damit. Witz und Satire passen gut zur Politik. Dem institutionalisierten Witz in Potsdam, dem Kabarett Obelisk, hingegen geht es nach der Wende immer schlechter. Erst übergab das Land die Kabarettförderung an die Kommune, die in der Folge ihre Zuschüsse jährlich kürzte. Seit einigen Jahren schon nehmen Ensemblemitglieder persönlich kurzzeitige Kredite auf, um das Sommerloch zu stopfen. Vielleicht könnte die Politik helfen? So nahmen Gretel Schluze, die Geschäftsführerin des „Obelisk“ und ihre Leute die Einladung von Wieland Niekisch zu einem Gespräch gerne an. Der Landtagsabgeordnete brachte gleich seinen halben Ortsvereinsvorstand mit, darunter Peter Schultheiß, der bis zu seiner Pensionierung die Einsätze der Polizei in dieser Stadt geleitet hat und nun für die Christdemokraten im Kulturausschuss sitzt. Für die Vorstellung am Abend wurde auch das Erscheinen der Kulturministerin Johanna Wanka, auch CDU, versprochen. Da sitzt also Wieland Niekisch mit gezücktem Füllfederhalter, eingeklemmt zwischen Ortsvereinsschatzmeister Eiserbeck und Ex-Polizeichef Schultheiß, bereit der Kabarett-Chefin zuzuhören, die sagt, klagen wolle sie nicht, und dann im Grunde eine Stunde nichts anderes tut. Mit Unterstützung des Dramaturgen Helmut Fensch, der gleich neben Gretel Schulze auch auf der Bühne stehen wird, findet ein großer Wunsch Ausdruck. Das Kabarett möchte so gerne eine größere Medienpräsenz, und zwar im Fernsehen. Die CDU säße doch auch im RBB-Rundfunkrat, nicht wahr? Das lokale Potsdam TV hätte doch nur eine Kamera, und sowieso brauche man das Umland. „Alle dritten Programme kaufen Kabarett ein, doch der RBB hat eine Fast-Ehe mit Dieter Hallervorden", stimmt nun auch der Sprecher des Fördervereins in die Klage ein. Man erträumt sich einen Sender wie den MDR, denn „da passiert was." Wieland Niekisch macht sich mit dem Füller Notizen, die Rolle als Seelentröster macht Spaß. Er höre das zum ersten Mal, sagt er besänftigend, und will ein wenig die Hoffnung stärken: „Man muss jetzt sehen, was wir da machen können.“ Neben Fernsehauftritten wünscht sich das Kabarett auch viel mehr Sponsoren, jemanden, der auch mal eine ganze Produktion bezahlt. Wie den Herrn Otto vom Belvedère. Ein CDU-Ortsvereinsmitglied wirft den Namen Friede Springer ein. Niekisch bremst diese gute Idee, denn als Präsident eines Sportvereins weiß er: „Diese Leute sind schon umlagert." Aber der Lokalpolitiker sieht Perspektiven. Gastspiele schlägt er vor, in Werder, Kleinmachnow, Petzow und Caputh, da, wo die Touristen sind. Gäbe es da nicht ein Gildehaus und das eine oder andere Schlösschen? „Ich werde ihnen vier Bürgermeister auf den Hals hetzen", scherzt er, Phöben, Werder, Ferch, Schwielowsee und Stahnsdorf. Es ist nicht zu erkennen, ob Gretel Schulze die Vision vom Kabarett in einem Gildehaus in Petzow mit derselben Begeisterung teilt. Die Lage ist finster, der Förderverein besteht seltsamerweise überwiegend aus Zehlendorfern, seine Mitgliederzahl stagniert. Immer ist die Stadt Schuld, Kulturbeigeordnete Fischer war nicht auf einer einzigen Premiere! Ministerin Wanka, der die finanzielle Notlage in ihrer relativ bescheidenen Dimension nicht so bewusst zu sein schien, zeigt auch Verständnis, kann aber mit Recht darauf verweisen, dass das Kabarett Sache der Stadt ist, leider. Jedenfalls hörte man kein selbstkritisches Wort darüber, ob nicht eventuell die Satire des Hauses sehr gelitten hat, ob die Form der Satire im Obelisken nicht mehr ganz so beliebt sein könnte. Ganz zu schweigen von einem eklatanten Mangel an professionellem Marketing. Es gibt ja tatsächlich Kabarett, das funktioniert, auch im Fernsehen, nur heißt das dort Comedy, ist jung, provokativ, schnell und schrill. Warum das erfolgreich ist, könnte man fragen. Das Programm des Abends „Diskus, Fiskus und Meniskus" passte sowohl vom fußnägelablösenden Titel als auch der Witzstruktur wirklich sehr gut in die Programmkultur des Mitteldeutschen Rundfunks. Der Saal war auf wundersame Weise voll, so viele junge Leute können gar nicht im JU Ortsverband sein. Ältere Herrschaften bogen sich vor Lachen, und das mehrfach. Gretel Schulze ist schon eine kabarettistische Wuchtbrumme. Am besten ist sie allerdings, wenn sie begleitet von Andreas Zieger und Helmut Fensch Lieder interpretiert, so die des begnadeten Sängers Fanny von Dannen am Schluss der Vorstellung.
Matthias Hassenpflug
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