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Kultur: „Cembalo lernen wäre zu kompliziert“
Ein Gespräch mit Claas Harders über die „Goldberg-Variationen“ für zwei Gamben – Konzert am Montag in der Friedenskirche
Stand:
Herr Harders, es gibt wirklich viel Musik, die für zwei Gamben geschrieben wurde. Warum haben Sie trotzdem zusammen mit Silke Strauf die sogenannten „Goldberg-Variationen“, die von Bach für ein zweimanualiges Cembalo komponiert wurden, für Ihre Streichinstrumente arrangiert?
Nun, Gamben sind die Instrumente, die wir spielen. Und da Silke Strauf diese Stücke sehr liebt, deswegen aber Cembalo zu lernen zu kompliziert geworden wäre, haben wir uns daran gemacht, die „Goldberg-Variationen“ für zwei Bassgamben zu arrangieren. Und obwohl Sie recht damit haben, dass es sehr viel Originalmusik für zwei Bassgamben gibt, mit der man hätte zufrieden sein können, haben wir uns dieser sportlichen Herausforderung gestellt.
Was bei den „Goldberg-Variationen“, die als ein Höhepunkt der barocken Variationskunst und gleichzeitig als eine der schwierigsten Klavierkompositionen von Bach gelten, fast schon wörtlich zu nehmen ist.
Ja, wir haben uns am Anfang die Klaviernoten sehr genau angeschaut, auch hinsichtlich der Mehrstimmigkeit der Variationen, von denen einige drei und sogar vierstimmig sind. Allein das „Quodlibet“, also die 30. Variation, da dachte ich zuerst, das geht nie und nimmer auf zwei Gamben, wenn trotzdem noch die vier Stimmen zu hören sein sollen.
Sie hätten es sich ja etwas einfacher machen und die „Goldberg-Variationen“ für ein Consort, also mehr als nur zwei Gamben arrangieren können.
Tatsächlich haben viele Leute, mit denen wir gesprochen haben, gefragt, warum wir nicht noch eine dritte Gambe dazunehmen, beispielsweise eine Diskantgambe, was auch dem Cembalo näherkommen würde. Aber wir waren schon zu sehr darauf fixiert, das auf lediglich zwei Bassgamben zu machen.
Das Ergebnis, Ihre Einspielung der „Goldberg-Variationen“ auf CD, zeigt aber, dass sich Ihre Fixiertheit entgegen aller Ratschläge gelohnt hat.
Ja, das hat uns aber auch sehr viel Arbeit und Zeit gekostet. Gut ein Jahr hat das gedauert, wobei wir die Variationen untereinander aufgeteilt haben. So haben Silke Strauf und ich je 15 übernommen und diese dann in stiller Hausarbeit umgeschrieben und umgearbeitet und dann bei gemeinsamen Treffen ausprobiert und weitere Veränderungen und Verbesserungen vorgenommen, bestimmte Bearbeitungen aber auch wieder verworfen und von vorn begonnen.
Gab es nicht Momente, wo Sie sich gesagt haben: Meine Güte, worauf habe ich mich da bloß eingelassen?
Wie schon gesagt, bei der 30. Variation dachte ich zuerst, das geht gar nicht. Aber trotz aller Schwierigkeiten, die „Goldberg-Variationen“ sind zu interessant und viel zu reizvoll.
Faszinierend bei Ihren Bearbeitungen hinsichtlich der Klangsprache sind vor allem die dritte und die 18. Variation, beides Kanons, die Sie nicht mit dem Bogen gestrichen, sondern Pizzicato, als mit den Fingern gezupft spielen. Gab es dafür einen besonderen Grund?
Nein, das haben wir nur wegen der Abwechslung gemacht. Natürlich hätten wir auch mehr zupfen können, aber bei den beiden Variationen bietet es sich besonders an, weil sie nicht zu schnell sind. Gleichzeitig ist es immer wieder eine Herausforderung für einen Gambisten, auf seinem Instrument mehrstimmig zu zupfen.
Vergleicht man Ihre Einspielungen mit Cembalo- oder Klavieraufnahmen, wird schnell deutlich, dass Sie die „Goldberg-Variationen“ deutlich langsamer spielen, zum Teil regelrecht entschleunigen.
Auf jeden Fall. Aber das ist natürlich auch immer eine Frage des Instruments und der entsprechenden Tonsprache. Eine Gambe spricht durch den gestrichenen Ton einfach langsamer, ja träger an als ein Cembalo. Meine Schwester hat einmal gesagt, eine Gambe sei eine Kirche zum Tragen. Die ist sehr resonant und klingt lange nach. Länger beispielsweise auch als ein Cello, weil die Gambe Bünde auf dem Griffbrett hat, wo die Töne gegriffen werden und die Saiten so deutlich freier und länger schwingen können.
Was dazu führt, dass Ihre „Goldberg-Variationen“ zwar langsamer gespielt werden, gleichzeitig aber eine neue Hörerfahrung vermitteln.
Natürlich könnten wir versuchen, die Variationen schneller zu spielen. Aber man kommt der Gambe nicht unbedingt entgegen, wenn man alles so schnell spielt wie möglich. Die ganz eigene Welt der „Goldberg-Variationen“, die durch das immer wiederkehrende harmonische Grundgerüst entsteht, ist natürlich auf jedem Instrument möglich. Aber zwei Gamben geben dem schon einen besonderen Reiz. Und es empfiehlt sich, diesen Zyklus auch von Anfang bis Ende durchzuhören.
Und das obwohl Bach habe diese Variationen für den Grafen Hermann Carl von Keyserlingk geschrieben soll, „dass er dadurch in seinen schlaflosen Nächten ein wenig aufgeheitert werden könnte“? Der junge und hochbegabte Cembalist Johann Gottlieb Goldberg wird dem Grafen auch kaum in jeder schlaflosen Nacht den kompletten Zyklus vorgespielt haben.
Ich habe nie groß darüber nachgedacht, ob da ein bestimmtes Konzept dahintersteht. Ich finde es einfach nur sehr spannend, wie unterschiedlich diese Variationen sind und trotzdem in der von Bach vorgegebenen Abfolge gespielt eine Gesamtheit ergeben. Der Hörer taucht in eine vielleicht schon durch Cembalo- oder Klaviereinspielungen bekannte Welt ein, die jetzt auf der Gambe dann doch wieder eine andere, eine neue ist.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Silke Strauf und Claas Harders spielen die „Goldberg-Variationen“ am Montag, 24. Mai, um 17 Uhr in der Friedenskirche, Am Grünen Gitter 3. Der Eintritt kostet 12, ermäßigt 8 Euro. Die CD mit den „Goldberg-Variationen“ für zwei Gamben ist beim Label Raumklang erschienen
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