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Kultur: Charmant

Sauer-Orgel in Eiche wurde 150 Jahre alt

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Stellwagen, Wagner, Silbermann oder Arp stehen seit jeher für den kunstvollen Orgelbau Deutschlands namentlich ein, doch nur ein geschultes Ohr weiß sie voneinander zu unterscheiden. Der Sauer-Orgel in der friderizianischen Dorfkirche (1771/72) zu Eiche sagt man zum Beispiel „charmante Register“ im französischen Stil nach, Worte, wie man sie bei der Einweihung der Woehl-Orgel in der Friedenskirche ähnlich vernahm. Am Sonntagnachmittag feierte die Gemeinde Eiche mit prominenten Gästen den 125-jährigen Geburtstag dieses historischen Kleinods mit einem Konzert.

Peter Fräßdorf, einer von vier Geschäftsführern der in Müllrose produzierenden Traditionsfirma aus Frankfurt/Oder, wusste diesen Anlass elegant mit dem 150. Firmenjubiläums (1856) seines Hauses zu verbinden, zumal die Kleinorgel im Sauerschen-Werkregister als „Opus 355“ verzeichnet ist. Sie wurde im Zusammenhang mit dem Erweiterungsbau 1882 von Firmengründer Wilhelm hergestellt. vorher besaß diese Kirche keine. Ihre rot-weiß-blaue Bemalung, wie auch den Schutz der Pfeifen vor Einschmelzung im Ersten Weltkrieg, verdankt sie der Kronprinzessin Victoria von Großbritannien und Irland, der Ehefrau Friedrichs III. Freilich hat auch dieses Instrument aus der Hand des „Akademischen Künstlers“ und „Königlichen Hoforgelbaumeisters“ (Titel 1883 und 1884) der Zeit den Tribut zu geben. Seine erste Reparatur 1979 veranlasste noch Pfarrer Kunzendorf, eine zweite folgte mit Unterstützung der Evangelischen Kirche der Union genau zwanzig Jahre später.

So viele Anlässe, so viel Geschichte waren der Gemeinde schon ein Sonderkonzert wert. Noch leuchtete der Weihnachtsstern, Kerzen waren zwischen den acht toskanischen Säulen des Rundbaus angezündet. Auf der hohen Rundgalerie, wo der Organist mit Blick auf die Gemeinde seitwärts sitzt, spielten Angela Müller (Flöte), Christian Stolte (Violoncello) und Heinrich Wallbrecht (Orgel) zur Einstimmung Jean Baptiste Loiellets Sonate a-Moll, später in gleicher Besetzung die in g-Moll von Georg Friedrich Händel recht schön. Mit trockenem Berliner Witz erklärte Orgelbaumeister Peter Fräßdorf dem Publikum dann, was man da für ein Schmuckstück vor sich hat. Mit Klangbeispielen wurden die fünf Register Prinzipal, Flöte, Streicher, Gemshorn und Bass samt ihrer „Familien“ vorgestellt. Man erfuhr zudem, wie Wilhelm Sauer von seinen Wanderjahren 1851 bis 1853 (England, Schweiz und Frankreich) auch jene „Französelei“ mit nach Hause brachte, welche „die Berliner“ meist in Gestalt des Ober-Orgelbaurevisors August Wilhelm Bach, bis 1859 so gegen ihn einnahm. Heute lobt man diesen Stil mal wieder, die Zeiten wanken eben.

Als Heinrich Wallbrecht mit sanften Händen das allbekannte „Greensleeves“ von Williams, einen „March“ aus der Feder von Lefébure-Wely und das moderne „Trumpet Tune“ Andrew Carters spielte, waren Eiches „charmante Register“ ganz original zu erleben.

Zum Abschluss gab es Dankesworte, weiße Rosen für die Mitwirkenden. Dem Sauer-Opus 355 sind weiterhin gute Jahre zu wünschen. Gerold Paul

Gerold Paul

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