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Großer Klangkörper. In Potsdam treten regelmäßig mehrere Chöre auf, die für ihre Konzerte Unterstützung von Orchestern benötigen und von der Stadt dafür Geld bekommen. Hier führt die Potsdamer Kantorei mit dem Neuen Kammerorchester unter der Leitung von Ud Joffe die h-Moll-Messe von J. S. Bach auf.

© Stefan Gloede

POSITION: Chorförderung nie infrage gestellt

Die Vielfalt der Potsdamer Chor-Landschaft gewährleisten Von Klaus Büstrin

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Ein „Flugblatt“ wurde vor eineinhalb Wochen an die Besucher der Aufführung von Bachs h.Moll-Messe mit der Potsdamer Kantorei und dem Neuen Potsdamer Kammerorchester in der Erlöserkirche verteilt. In einem sehr emotionalen, teilweise auch unsachlichen Ton hat der Dirigent und künstlerische Leiter von „Musik an der Erlöserkirche e.V.“, Ud Joffe, die aktuelle Chorförderung durch die Stadt Potsdam kritisch betrachtet und seine Ängste um den Fortbestand der ausstrahlungskräftigen Chorlandschaft in Potsdam mitgeteilt. Dabei haben sich jedoch einige Unwahrheiten eingeschlichen. Bei Konzertgästen kam es nach der Lektüre zu Irritationen. Als Sprecher der Chorjury ab 2015 – es gab und gibt keinen Vorsitzenden – will ich versuchen, mehr Einblick in die Chorförderung zu geben. Konfrontationen sollen vermieden werden. Die Kommunikation ist mein Credo und das der Jury.

In Potsdam gibt es, wie bekannt, eine außergewöhnlich dichte und lebendige Chorszene von größtenteils hoher Qualität. Sie zu fördern ist das Anliegen der Stadt. Es gibt in nur wenigen deutschen Städten eine gleichwertige kontinuierliche kommunale Förderung für Chöre, deren Schwerpunkt die Chorsinfonik ist. Die brandenburgische Landeshauptstadt entschloss sich kurz nach der Abwicklung der Brandenburgischen Philharmonie Potsdam, die zuvor chorsinfonische Aufführungen zu einem Mini-Preis orchestral begleitet hatte, die großen Chöre finanziell zu fördern.

Im Jahre 2002 wurde das Forum Chorsinfonik ins Leben gerufen, um Fördervorschläge dem Kulturausschuss sowie der Kulturverwaltung vorzulegen. Deren Mitglieder waren zunächst Vertreter der Singakademie Potsdam, des Oratorienchores Potsdam, der Potsdamer Kantorei und des Männerchores, ein Jahr später kamen der Nikolaichor und der Neue Kammerchor hinzu. Auch eine Vertreterin des Landesmusikrates war Mitglied des Forums und zugleich seine Sprecherin. Die Geldempfänger haben die Entscheidung, welcher Chor wie viel Förderung bekommt, selbst vorgenommen. Forum-Mitglieder berichten, dass dies immer wieder Anlass zu unerfreulichen Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern bot. Die Landesmusikrats-Vertreterin hat sich auch aus diesem Grund aus dem Gremium verabschiedet.

Der Ausschuss für Kultur und Wissenschaft der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung hat sich unabhängig von der Bewilligung der Förderanträge mehrmals mit dem Forum Chorsinfonik beschäftigt. So wurde im Herbst 2013 von Ausschussmitgliedern die Verteilung der Gelder und die Einstufung der Chöre infrage gestellt. Eine Bewertung der Chöre durch Experten sei erforderlich, so der Ausschuss. Auch Ensembles, die bisher nicht im Forum vertreten waren, sollten die Möglichkeit bekommen, einen Förderantrag zu stellen. Der Kulturausschuss beschloss am 19. Dezember 2013 eine Fach-Jury zu berufen, die nicht aus Mitgliedern der Chöre besteht. Andrea Palent, die Geschäftsführerin des Nikolaisaals und der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, der Dozent für Chordirigieren und stellvertretende Direktor des Staats- und Domchores Berlin, Frank Markowitsch, sowie Moritz Puschke, Geschäftsführer des Deutschen Chorverbandes e.V., bildeten die dreiköpfige Jury. Puschke wurde zugleich ihr Sprecher. Es sollte somit auch ein externer Blick auf die Chorarbeit in Potsdam erfolgen. Die Fachexperten aus Berlin haben sich Anfang 2015 von dieser ehrenamtlichen Tätigkeit zurückgezogen. Daraufhin wurde der Unterzeichnende dieses Artikels, der jahrzehntelang mit der Chorszene vertraut ist, vom Kulturausschuss in die Jury berufen. Ein drittes Mitglied soll demnächst seine Arbeit aufnehmen.

Die Frage der Chöre, mit wie viel Finanzen sie für das kommende Jahr rechnen können, ist berechtigt. Damit wollen sie vor allem die Honorierung der Orchester vornehmen, die durchschnittlich 8000 bis 12 000 Euro beträgt. Die Jury bearbeitet nach bestem Wissen und Gewissen die Anträge, denn die Vielfalt der Chor-Landschaft Potsdams möchte sie gewährleisten. Dafür standen im Haushalt der Stadt im Jahre 2014 noch 110 500 Euro zur Verfügung, ein Jahr später und 2016 waren es nur noch 107 000 Euro. Beantragt wurde seitens der Chöre 2015 eine Gesamtsumme von 141 340 Euro, für dieses Jahr 139 000 Euro. Somit sind Abstriche bei den Fördersummen für die einzelnen Chöre unvermeidlich. Beispielsweise erhält der Oratorienchor für seine beiden Aufführungen 22 000 Euro, das sind 2000 Euro weniger, als der Antrag vorsah. Die Potsdamer Kantorei und der Neue Kammerchor erhielten 33 000 Euro. Wenn die beantragten 56 000 Euro zur Auszahlung gekommen wären, hätten den anderen Chören nur 51 000 Euro zur Verfügung gestanden. Musik an St. Nikolai e.V. wird 2016 mit 12 000 Euro gefördert, außerdem erhielt der Verein 4000 Euro aus einer anderen Quelle des Stadthaushalts für die Aufführung des Brahms-Requiem mit einer Fassung für zwei Klaviere, Harfe und Schlagzeug. Übrigens können die Singakademie Potsdam e.V. sowie Musik an der Erlöserkirche e.V., deren Teil die Potsdamer Kantorei ist, zuzüglich auf eine ganzjährige Förderung von 20 000 beziehungsweise 31 000 Euro für Personalkosten zurückgreifen. Diese kommen jedoch nicht aus der Chorfinanzierung.

Das Aufheben von Planungsunsicherheiten wegen des nicht verabschiedeten Haushalts müsste für die Stadt ein wichtiges Anliegen sein. Die Schulchöre werden künftig über die Chorförderung kein Geld mehr erhalten, da sie strukturell ihre eigene Basis haben. Dies hat der Kulturausschuss beschlossen. Bei dem neu zu verhandelnden Vertrag zum Theater- und Orchesterverbund sollte Potsdam sich noch einmal mit dem von den Chören immer wieder diskutierten Thema Orchester-Zusammenarbeit ins Gespräch bringen.

Klaus Büstrin ist ehemaliger PNN-Kulturressortleiter, freier Autor und Sprecher der Chorjury seit Anfang 2015.

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