Kultur: Concerti grossi
Kammerakademie im Schlosstheater
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So schnell kann es also gehen. Kaum sind die österlichen musikalischen Reflexionen über Gefangennahme, Kreuzigung, Tod und Auferstehung Jesu verklungen, gibt es bereits die Freude auf dessen Geburt. „Jo mei, is denn scho Weihnachten?“, ließe sich mit Kaiser Franz mutmaßen, denn es mutete schon merkwürdig an, zu Frühlingsbeginn mit einem Weihnachtskonzert, dem als „fatto per la notte di natale“ bezeichneten Concerto grosso g-Moll op. 6 Nr. 8 von Arcangelo Corelli beglückt zu werden. Andererseits: ein Freudenfest war es auf jeden Fall, was da am Samstag beim Finale der Schlosskonzert-Reihe der Kammerakademie Potsdam im dazu passenden Klang-Raum des Neuen Palais erklang.
Die „Concerto grosso“ genannte Programmfolge machte mit jenem barocken Stil bekannt, der durch eine charakteristische Satztechnik geprägt ist, der eine bestimmte Besetzung entspricht. Dabei werden nicht ein oder mehre Soloinstrumente von einem Orchester begleitet, sondern ein kleinerer Klangkörper (Continuo) – bestehend aus zwei Melodieinstrumenten mit Generalbass – wird dem Orchester (Concerto grosso oder Tutti) gegenübergestellt. Arcangelo Corelli gilt als Erfinder des Genres. Mit seinem B-Dur-Concerto grosso op.6 Nr.11 beginnt das Klangabenteuer unter der anspornenden Leitung des vom Cembalo aus agierenden Briten Jonathan Cohen.
Straffes und energisches Musizieren in historischer Manier auf alten Instrumenten ist dabei von Anfang an genauso angesagt wie abrupte Stimmungswechsel auf engstem Raum. Spannend, aber völlig unspektakulär tastatiert Cohen das Akkordinstrument, indem er dem mit Sechzehntel-Kaskaden nur so sprühenden Violoncello (Ulrike Hofmann) und dem prononciert ko-streichenden Violinenpaar (Yuki Kasai, Christiane Plath) die denkbar beste Unterstützung gibt. Im „Weihnachtskonzert“ werden die wenigen Vivace-Einleitungstakte regelrecht anreißerisch gespielt, ehe sich im nahtlos folgenden Grave ein vibratoloser Klang voller Wärme ausbreitet. Das Pastorale schließlich zeigt sich festlich, elegant und freudig bewegt.
Äußerst lebendiges, ja geradezu kurzweiliges Musizieren zeichnet die Wiedergabe des Concerto grosso F-Dur op. 5 Nr. 10 von Francesco Geminiani aus, das der Abfolge einer Suite gleicht. Die Charakteristika der einzelnen Tanzsätze wie Allemanda, Sarabanda und Giga werden deutlich herausgearbeitet: tänzerisch beschwingt, spielerisch vergnüglich. Eine nicht weniger eindringliche Darstellung erfährt d-Moll-Oboenkonzert op.9 Nr.2 von Tomaso Albinoni durch den Solisten Giovanni de Angeli. Der durchdringende, fast ein wenig quäkende Klang seiner Barockoboe wechselt mit sehnsuchtsvoller bis schmachtender Rhetorik, in der sich hinreißende Virtuosität und innere Versenkung gleichermaßen artikulieren.
Mit seinem ausdrucksstarken, leuchtenden Ton gibt er, zusammen mit Fagottist Christoph Knitt, der Continuogruppe für Georg Friedrich Händels Concerti grossi B-Dur op.3 Nr.2 und d-Moll op.6 Nr.10 die rechte Klangwürze. Rauschende Lebensfreude in beiden Werken. In ersterem geigen beide Soloviolinen puren Frohsinn. Einige Modulationen später singt sich das Largo mit einem sehnsüchtigen Oboensolo aus. Sehr spannungsreich geht es hier zu, intonatorisch mitunter nicht ganz ast-rein. Das zweite Concerto sprudeln und singen sie mühelos im federnden Wechselspiel – ein Allegro spritziger als das andere. Nach aller vorangegangenen Virtuosität zeigt sich dagegen das Finale ganz entspannt. Peter Buske
Peter Buske
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