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Mit dem Anspruch, möglichst gute Musik zu machen. Der Violinist Wolfgang Hasleder.

©  Manfred Thomas

Kultur: „Corelli suchte nach Schönheit“

Der Violinist Wolfgang Hasleder zum Auftakt der Harmonia-Mundi-Konzertreihe

Stand:

Herr Hasleder, mit einem Konzert zum 300. Todestag von Arcangelo Corelli eröffnen Sie die Harmonia-Mundi-Reihe mit dem Potsdamer Ensemble „Die kleine Cammer-Music“. Das klingt nach einem Programm mit den üblichen Verdächtigen.

Nein, wir wollten nicht eines dieser bekannten Programme gestalten, die sich mit Corelli und seinen Auswirkungen auf andere Komponisten beschäftigen. Da gibt es ja einen breiten Fächer von Bearbeitungen, unter anderem von Georg Philipp Telemann, Francesco Geminiani, Antonio Vivaldi und François Couperin, die sich alle auf Corelli bezogen haben. Auch wenn sich das wunderbar anbietet, für uns war da einfach interessanter und auch lohnender, Unbekannteres ans Licht zu holen. Wir haben uns gefragt, was Corellis Spiel auf der Geige, seine Kompositionen beeinflusst, in welchem Umfeld er gewirkt hat. Wer waren seine Vorgänger, seine Vorbilder, seine Kommilitonen?

So sind Sie auf die Bologneser Accademia Filarmonica gekommen?

Ja, gerade diese Accademia Filarmonica, in der Corelli seine Ausbildung erhielt und die es ja noch heute gibt, war sozusagen der Ausgangspunkt für Corellis meisterhaftes Schaffen. Hier fand er die besten Voraussetzungen. Hier gab es Musiker, die mit neuen Ideen in Harmonie- und Dissonanzbehandlung sich den geltenden Konventionen widersetzten. Darauf konnte Corelli unter anderem für seine Sonaten zurückgreifen.

Und hat so etwas Klassisches geschaffen.

Wie so oft geht es dabei ja auch um Synthese, im Hegelschen Sinne also um die Schaffung von etwas Neuem, das natürlich das Vorhergehende beinhaltet, ohne das es auch gar nicht sein könnte. Aber Corelli hat mit seinen Kompositionen, mit seiner Form der Synthese etwas Einmaliges geschaffen. Als Geiger, als Komponist und als Erfinder.

Als Erfinder?

Ja, er hat eine Formensprache, einen eigenen Geigenklang erfunden. Denn zu seiner Zeit bedeutete Virtuosität nicht, halsbrecherische Schwierigkeiten auf der Violine zu meistern, sondern einen Klang zu formen. In seinem Falle im italienischen Sinne die Geige singen zu lassen. Und wer einen großen singenden Ton erzeugen konnte, war da natürlich ein Maestro. Da hatte Corelli eine ähnliche Popularität in Europa wie Paganini 50 Jahre später.

Aber was hat Corelli von Musikerkollegen wie Allessandro Stradella oder Carlo Ambrogio Lonati, die Sie mit dem Ensemble „Kleine Cammer-Music“ auch im Rahmen des Konzerts spielen werden, so sehr unterschieden?

Stradella und Lonati haben sehr eindrucksvolle und anspruchsvolle Kompositionen geschrieben. Aber diese Einheit von Form und Inhalt des Geigenspiels, die schon angesprochene Synthese, wie man das im Lagenspiel mit Griffen und Akkorden so umsetzt, dass daraus wirklich etwas fast schon Feinstoffliches, etwas so Typisches und Unverwechselbares für die Geige, ein gewisses Klangspezifikum entsteht, das ist nur Corelli meisterhaft gelungen. Er hat dem Instrument etwas ganz Eigenes, etwas Persönliches gegeben. Und wenn man das in der Entwicklung betrachtet, denn die Instrumentalmusik gab es da ja erst seit gut 100 Jahren, so hat Corelli schon etwas ganz Großes geschaffen. Und wie lange das nachwirkte, habe ich ja noch selbst erlebt. Denn in meiner Jugend war es noch üblich, dass fast jeder Geiger sein Recital mit einer Sonate von Corelli eröffnet hat.

Corellis Einfluss auf die Entwicklung des Violinspiels ist unbestritten. Kann man vielleicht sogar behaupten, dass er die Sonate als mehrsätzige Form begründet hat?

Es wird schwer, ein Werk zu finden, das vor 1700 komponiert wurde und diesen Status von Corellis Meisterwerken hat. Es gibt von Georg Muffat eine hervorragende Sonate, kleinere Kompositionen von Biagio Marini, die auf ihre Art hervorragend sind. Aber diese Einheit, dass man eine Sonate als Komposition mit einer mehr oder weniger festgelegten festen Anzahl von Sätzen begreift, das kam erst mit Corelli. Er hat hier eine klare Unterscheidung in Sonata da Chiesa, Sonata da Camera gegeben, ordnete zu, was sein durfte und was nicht, analysierte das regelrecht. Er hat nach formalen Gesichtspunkten und Schönheit gesucht und so im Grunde die Formen, die er vorgefunden hat, um Eigenes ergänzt und etwas Neues geschaffen.

Und den Stellenwert der Violine als Soloinstrument manifestiert?

100 Jahre zuvor hatte die Geige noch das Image eines schreienden und häßlichen Instruments, das nur zur Tanzmusik taugt. Und jetzt diese Umkehrung, dass die Violine praktisch tonangebend wird bei der Suche nach musikalischen Ausdrucksformen. Ja, und auch da war Corelli maßgebend, denn ich glaube nicht, dass es eine andere Instrumentalsonate aus dieser Zeit gegeben hat, die, so abgeschmackt das jetzt auch klingen mag, formvollendet und in sich geschlossen ist. Trägt man das alles zusammen, wird sehr schnell deutlich, dass da viele Besonderheiten zusammenkommen.

Seit fünf Jahren gibt es die Harmonia-Mundi-Reihe mit jährlich vier Konzerten in Potsdam. Ist die Suche nach ungewöhnlichen Programmen in der Zeit zu einer Art Markenzeichen für Sie geworden?

Das stellt sich vielleicht ein wenig so dar. Aber ich suche das nicht unter diesem Aspekt aus. Es ist auch nicht die Absicht unserer Konzertreihe, mit ungewöhnlichen Programmen auf uns aufmerksam zu machen. Unsere Absicht besteht darin, möglichst gute Musik zu machen und dadurch ein Plädoyer für die Relevanz der Alten Musik zu geben. Also dass der Affektgehalt dieser Musik durchaus in der Lage ist, die Menschen auch heute zu erreichen. Und im besten Falle das Leben für einen Konzertabend lang schöner zu machen.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Das Konzert „Sonata da Chiesa – Musica da Camera“ zum 300. Todestag von Arcangelo Corelli am Montag, dem 7. Januar, um 18.30 Uhr im Bürgerhaus am Schlaatz und am Dienstag, dem 8. Januar, um 19.30 Uhr in der Friedenskirche Sanssouci. Weitere Informationen unter www.cammermusik-potsdam.de

Wolfgang Hasleder , geboren im oberösterreichischen Steyr, ist Violinist, Gründer und Organisator des Barockorchesters „Cammermusik Potsdam“, „Der kleinen Cammer-Music“ und der „Venezianischen Nacht“.

Nach dem Studium bei Rainer Küchl an der Wiener Musikhochschule beschloß Wolfgang Hasleder seine Studien an der Juilliard School in New York bei Lewis Kaplan.

Hasleder war als Konzertmeister im Philharmonischen Orchester Freiburg und in der Magdeburgischen Philharmonie tätig. Im Jahr 2002 übernahm der das Telemann Consort in Magdeburg.

Vor zehn Jahren gründete er die „Cammermusik Potsdam“ und „Die kleine Cammer-Music“, vor fünf Jahren die Konzertreihe alter Musik in Potsdam „Harmonia Mundi – Musica Coelestis“.

Wolfgang Hasleder lebt mit seiner Frau, der finnischen Mezzosopranistin Kristiina Mäkimattila, in Potsdam. PNN

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