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Kultur: Courage für die Avantgarde Moderne Klänge aus Hellerau im Palmensaal

Ein buntes Programm „mit Werken, die für oder teilweise in Hellerau geschrieben wurden“ kündigt Titus Engel, musikalischer Leiter des Dresdner Ensembles für zeitgenössische Musik „Courage“, den im Palmensaal Neuer Garten versammelten Fans neutönerischer Klänge an. Wird es eben dieser Courage bedürfen, jenes Avantgardistische ohrenschadlos zu überstehen, was sechs Instrumentalisten am Mittwoch im Rahmen der Musikfestspiele zu musizieren gedenken?

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Ein buntes Programm „mit Werken, die für oder teilweise in Hellerau geschrieben wurden“ kündigt Titus Engel, musikalischer Leiter des Dresdner Ensembles für zeitgenössische Musik „Courage“, den im Palmensaal Neuer Garten versammelten Fans neutönerischer Klänge an. Wird es eben dieser Courage bedürfen, jenes Avantgardistische ohrenschadlos zu überstehen, was sechs Instrumentalisten am Mittwoch im Rahmen der Musikfestspiele zu musizieren gedenken? Hellerau – auch dies ein Gruß von Sachsens Glanz, wenngleich ein moderner. In diesem Gartenstädtchen vor Dresdens Toren realisierte sich anno 1911 mit dem Bau der „Bildungsanstalt“ (in der später das vom Dresdner Udo Zimmermann gegründete Zentrum der zeitgenössischen Musik einzieht) der reformpädagogische Plan von Emile Jaques-Dalcroze, mit dem er seine Vorstellungen von Musik und Rhythmus verwirklichen konnte. Er selbst kommt mit seinem Werk „Echos du dancing“ im Abendkonzert zu Wort. Es sind sechs Impromptus für Klaviertrio, die sich stark nach Kaffeehausmusiken anhören. Zum swingenden Klavier gesellen sich schmachtend Violine und Cello – alles sehr eingängig. Doch Vorsicht: diese Trivialmusik hält mancherlei harmonische Widerhaken und rhythmische Stolperfallen bereit.

Total gegensätzlich dazu das eingangs erklingende „Hart auf hart“ von Gerhard Stäbler, in dem es wortwörtlich so zugeht: Laut krachend fallen grelle Akkorde über die Hörer her. Die sind im ersten Moment geradezu schockiert über das, was auf sie eindringt. Violine, Viola und Cello kratzen, schlagen, krächzen, sägen oder schlagen die Saiten. Hart auf hart, aber fair. Floskel trifft auf Floskel. Signalartige Flötentöne, geräuschhaftes Gezupfe im Klaviergedärm und Klarinettenphrasen gesellen sich hinzu. Dem Dirigenten Titus Engel obliegt es nur, die Einsätze der Instrumentalisten zu koordinieren. Auf ihren Pulten liegen bunte grafische Blätter, auf denen Dauer, Tonhöhe und dergleichen Parameter verzeichnet sind. Im Nachhinein zeigt Engel sie dem Publikum, liest ihm des Komponisten darauf notierte Spielanweisungen vor. Bei einem zweiten Stäbler-Stück hält der Dirigent gleich einem Torero den Musikern ein rotes Tuch zwecks spielerischer Erregungssteigerung vor die Augen. Naja.

Viel Geräuschhaftes und Gezupftes hält auch das anspruchsvolle, dennoch feinsinnige, vom anwesenden Komponisten Benjamin Schweitzer erläuterte Stück „Anfänge/Netze“ bereit, dessen komplizierte Erzählweise nichts anderes als „eine durch Töne sublimierte literarische Welt“ darstelle. Jeder Musiker erzählt seinen Handlungsstrang: als Monolog, beim geduldigen bis ungeduldigen Hören auf den anderen. Man fällt einander ins Wort, zeigt sich aufbrausend, besänftigend. Das Klavier ist vorwiegend perkussiv eingesetzt. In der von einem Celan-Gedicht beeinflussten „Klaviermusik III“ von Paul-Heinz Dittrich kann Frank Gutschmid sein stupendes Tastenkönnen unter Beweis stellen. Das der anderen Musiker – spieltechnische und gestaltungsintensive Experten der zeitgenössischen Klänge – offenbart sich erneut in „Danse aveugle“ (Blinder Tanz) von Hanspeter Kyburz, eine tänzerisch-konstruierte Hommage an den Dalcrozeschen Hellerau-Geist. Peter Buske

Peter Buske

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