Kultur: „Dann mach ich überhaupt nichts mehr“
Immer eine List in der Tasche: Angelica Domröse vor ihrer neuen Rolle am Hans Otto Theater
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„Schönes Haus, mein lieber Mann“, staunt Angelica Domröse, als sie am Mittwochabend in der Villa Arnim ihr Publikum begrüßt, darunter tatsächlich auch ihren Mann, den Schauspieler Hilmar Thate. „Kannste mir nich auch so was kaufen, dann sehn wa uns vielleicht öfter als auf der Bühne“, frotzelt sie und räumt in (haus-)fraulicher Manier ein rotes Lampenungetüm aus dem Wege.
Dann nimmt sie Platz neben Lea Rosh, die gemeinsam mit dem Förderkreis des Hans Otto Theaters zum Gespräch eingeladen hatte, um die Schauspielerin zu ihrer nächsten Potsdamer Rolle in der Komödie „Filumena Marturano“ von Eduardo De Filippo zu befragen, die im Januar Premiere hat. Die Domröse spielt darin eine ehemalige Hure, die ihren langjährigen Liebhaber überredet, sie kurz vor ihrem Ableben noch zu ehelichen. So schnell stirbt sie dann aber doch nicht. Der getäuschte Mann will die Ehe anfechten, doch die trickreiche Filumena weiß ihn zu binden. „Wenn man ein gutes Weib ist, hat man die List immer in der Tasche“, sagt die erfahrene Aktrice und schickt kleine glühende Pfeile ins Publikum.
Man ahnt, dass sie auf der Bühne ein Feuer entfachen wird, zumal mit Winfried Glatzeder tatsächlich ein „alter Geliebter“ vor ihr stehen wird. Die Idee, Plenzdorfs Filmpaar „Paul und Paula“ in dieser Komödie wieder zusammen zu bringen, hält Lea Rosh übrigens für einen Coup. Kaum jemand werde sich das entgehen lassen.
Als Angelica Domröse die Paula spielte, war sie 31 und galt anfänglich als zu alt. „Aber die Rolle ist schwer. Viel früher hätte ich sie gar nicht spielen können“, erzählt sie und lässt erkennen, wie sehr sie ackert und sich quält, um den eigenen hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Immer sei das so gewesen. In den ersten Jahren am Berliner Ensemble unter der gestrengen, aber auch mütterlichen Helene Weigel, dann an der Volksbühne, wo sie nach den Brecht-Stücken nun auch Shakespeare, Shaw und Hacks spielte, und später am Westberliner Schiller-Theater, dessen bitteres Ende sie miterlitt. Bis heute hat sich nichts daran geändert. Wenn sie hier am Potsdamer Theater die Mary spielt, eine morphinsüchtige ältere Dame in O“Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“, dann verlangt sie sich alles ab. Ein Kraftakt, der einen Tag vor der Vorstellung beginnt und einen Tag später noch nachwirkt. Aber sie ist froh, hier zu sein. „Es ist eine Begegnung mit ,meinem“ Publikum, das ich nicht vergessen, aber für das ich lange nicht gespielt habe. Außerdem ist hier in Potsdam in einer Zeit, da andernorts Theater geschlossen werden, ein neues Haus gebaut worden, das zumindest von außen sehr schön ist.“ Auf die vorsichtige Frage Lea Roshs nach der noch immer schwierigen Akustik, schimpft Hilmar Thate aus der dritten Reihe: „Eine Ungeheuerlichkeit, wie in Sydney zu bauen, ohne ans Theater zu denken.“ Nicht zum ersten Mal an diesem Abend wirft er seinen Kommentar in die Runde. Frau Domröse nimmt es gelassen. Sanft weist sie ihm seinen Platz zu: „Herr Thate, Sie werden hier sicher auch einmal eingeladen.“ Das Publikum amüsiert sich über diese winzige „Szene“ einer langen Ehe, der Angelica Domröse viel verdankt. Immer haben sie und ihr Mann sich austauschen können, bis in die Nacht reden über das, was sie zusammen erlebten oder jeder für sich. Als sie zum ersten Mal in Westberlin im KaDeWe waren, überwältigt vom Überfluss, schockiert über 170 Käsesorten, hat ihr Mann am Abend gesagt: „So eine Gesellschaft ist krank. Aber wo soll“n wa denn hin?“. „Vom Regen in die Jauche“, wirft Thate mit den Worten Wolf Biermanns ein, jenes Mannes, gegen dessen Ausbürgerung das Schauspielerpaar protestiert hatte und infolgedessen das Land verlassen musste.
Lea Rosh will Genaueres darüber wissen und fragt: „Wie war das, als ihr damals aus dem Osten hierher gekommen seid?“ Alles lacht. Ein Lapsus, oder doch ein Freudscher Versprecher? Sei“s drum. Den beiden Schauspielern ging es gut, weil sie sofort arbeiten konnten, interessante Engagements erhielten, erfolgreich waren. Das Gefühl aber, mitten in Berlin, der eigenen Heimatstadt, wie im Ausland zu sein, ist nie ganz gewichen. Wenn, wie so häufig, Proben „gedrückt“ werden, die Schauspieler von einem Stück zum nächsten hetzen, der gedankliche Austausch zu kurz kommt, dann fragt sie sich, ob man denn nur noch für Geld arbeitet. Sie will das nicht zulassen und so schürt sie schon jetzt ihre Aufregung vor der neuen Rolle, der Filumena. „Und was kommt dann?“, fragt Lea Rosh zum Schluss nach den Perspektiven. „Ich bin offen für alles“, sagt die Domröse locker dahin und korrigiert sich auf der Stelle: „Vielleicht bin ich überhaupt nicht offen für alles. Ich will nicht mehr rumreisen. Jetzt spiel ich erst mal die Filumena und danach“, sie schaut in die Luft, „glaub ich, mach ich überhaupt nichts mehr.“ Alle lachen. Frau Rosh und Frau Domröse, Herr Thate und das ganze Publikum. Wer soll das glauben?
Antje Horn-Conrad
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