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Die große Wirkung kleiner Bewegungen. Die Minimalistin Howool Baek.

© fabrik

Kultur: Das Alles im Nichts

Deutschlandpremiere in der „fabrik“

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Es ist ein kleines Wort, das alles bedeuten kann. Aber es ist auch ein großes Wort, das so manches Mal in vollkommener Bedeutungslosigkeit versinkt. Nichts oder Nothing, wie es in englischsprachigen Kulturkreisen heißt. Aber dass „nothing“ nicht immer „nichts“ heißen muss, wollen Howool Baek und Matthias Erian in ihrer Performance „NOTHING for 60 min.“ beweisen, die am heutigen Samstag um 20 Uhr in der „fabrik“ ihre Deutschlandpremiere hat.

Denn auf der Bühne wird es viel zu sehen geben und garantiert kein Nichts. Dass dies jedoch nicht jedem klar ist, lehrte Howool Baek und Matthias Erian die Erfahrung. „Es gab Leute, die nicht gekommen sind, weil sie dachten, dass nichts passiert. Eben nothing“, erzählt Choreografin und Tänzerin Howool Baek, die in Korea ihre tänzerische Ausbildung erhielt. Dabei ging es bei der künstlerischen Beschäftigung mit dem Begriff „Nothing“ ursprünglich um etwas ganz anderes. „Es geht darum, dass wir, obwohl wir meinen, einen anderen Menschen zu kennen, eigentlich nichts über ihn wissen“, sagt Matthias Erian. Die Perfomance „NOTHING for body“ war das erste Projekt, genau das einzufangen, was man sonst eigentlich nicht über einen Menschen erfährt: die winzigen Details, die kleinen Dinge des Körpers.

Aus dieser intensiven Beschäftigung mit dem Körper ist in einem langwierigen Prozess die Performance „NOTHING for 60 min.“ entstanden. Dabei hat das Spiel mit dem Körper und seiner Projektion in Bilder an immer größerer Bedeutung gewonnen. „Bewege ich auf der Bühne den kleinen Finger oder einen Zeh, sieht das niemand. Projiziere ich dies aber auf Bildschirme, werden selbst die kleinsten Gesten für den Zuschauer sichtbar.“

Howool Baek kennt die große Wirkung der winzigsten Bewegungen. Die Geschmeidigkeit der wellenförmigen Handbewegungen, die Anmut im Strecken und Krümmen der Füße. „Es ist nicht leicht, 60 Minuten lang alleine auf der Bühne zu sein. Ich höre jede Reaktion aus dem Publikum, darf aber nie in der Konzentration nachlassen, weil ich sonst die Zuschauer verliere“, erklärt sie die Schwierigkeit, die in dieser Performance steckt. Von den technischen Herausforderungen eines Live-Video-Streaming ganz zu schweigen. „Wenn wir einen kleinen Teil der Performance ändern wollten, konnte das aufgrund der Technik mehrere Stunden oder einen ganzen Tag dauern“, erzählt Matthias Erian, der hinter der Bühne für die musikalische Untermalung zuständig ist. Dabei muss sich er sich vollständig auf Howool Baek einlassen, er folgt ihrem Rhythmus, nicht umgekehrt. Es wäre natürlich durchaus leichter, zuvor aufgenommene Musik im Hintergrund laufen zu lassen, doch der Performance würde sicherlich etwas verloren gehen.

„NOTHING for 60 min.“ erzählt keine Geschichte. Die Choreografie ist völlig frei von jeglicher Aussage. Howool Baek und Matthias Erian wollen den Zuschauern nicht vorschreiben, was sie sehen, was sie hören. Die Freiheit der Performance macht ihren Reiz aus. Denn am Ende ist sie für jeden Zuschauer genau das, was er will. Vielleicht alles, vielleicht nichts – oder vielleicht auch das Alles im Nichts. Chantal Willers

Chantal Willers

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