Kultur: Das andere Gesicht
Die Starfotografin Gabo hat in Potsdam ihren „Showroom“ eingerichtet
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Sie hat Joschka Fischer auf das Dach der Alten Oper in Frankfurt am Main geschickt und Eric Clapton in einer Situation fotografiert, wo andere den Termin lieber abgesagt hätten. Beides war nicht geplant. Lange bitten musste Gabo die beiden trotzdem nicht.
Berührungsängste kennt Gabriele Oestreich-Trivellini alias Gabo nicht. Kann sie sich in ihrem Beruf auch nicht leisten. Unvoreingenommen bittet sie den Gast in ihren sogenannten „Showroom“ in der Gregor-Mendel-Straße. Schnell ist man mitten im Gespräch, ohne jegliches Vorgeplänkel. Und immer öfter passiert es, dass Gabo auf ein „Du“ verfällt, ganz ungezwungen. Als sie es bemerkt, muss sie lachen. Dann erzählt sie von Gerhard Schröder, den sie fotografiert hat, als er noch Bundeskanzler war. Auch ihn hat sie ungewollt geduzt und als sie es bemerkte, sich sofort entschuldigt. Doch Schröder hat nur abgewunken. So ein Du lockert schließlich die Atmosphäre.
Gabriele Oestreich-Trivellini, Künstlername: Gabo, 46 Jahre, seit über 20 Jahren Fotografin, eine der wohl bekanntesten deutschen Fotografinnen weltweit. Liest man die Liste derer, die Gabo portraitiert hat, möchte man sie Starfotografin nennen. Clapton, Schröder, Fischer, Kevin Costner, Heike Makatsch, Franka Potente, Moritz Bleibtreu, David Copperfield und vor kurzem erst den Swingsänger Roger Cicero – um nur einen kurzen Ausschnitt zu nennen. Doch Starfotografin würde zu kurz greifen. Gabo ist auch Werbefotografin. Besser gesagt, sie verbindet die Starfotografie mit der Werbefotografie. In der Fachsprache: Testimonial. Prominente lassen sich für ein Produkt ablichten. Es ist nicht so, dass Gabo in Deutschland die erste Testimonial-Fotografin war. Sie hat aber eine Bildsprache gefunden, die ihre Fotografien nicht wie die üblichen Werbeformate aussehen lässt. Nicht mehr die offensichtlich „Kauf mich“-Botschaft springt den Betrachter an. Gabos Werbefotografien wirken, als hätte sie die Stars einfach nur in ihrem Alltag abgelichtet.
Gabo kennt das Gefühl vor der Kamera zu stehen sehr genau. Zehn Jahre hat sie als Model gearbeitet, bevor sie selbst zur Kamera griff. Sie ist durch die Welt gereist, hat auch in Krisengebieten gearbeitet. In Uganda sollte sie für eine Reportage Aids-Kranke fotografieren. Doch als sie mit ihrem Objektiv auf die Geschwüre der Todgeweihten hielt, wehrte sich etwas in ihr. „Dafür bin ich nicht neugierig genug“, sagt sie.
Es ist nicht so, dass Gabo unbedingt Rücksicht nimmt, wenn sie mit der Kamera arbeitet. „Ich will dem Menschen gerecht werden, den ich fotografiere“, sagt sie. Manche ihrer Portraits wirken gnadenlos, ohne ihr Gegenüber bloßzustellen. Diese Gnadenlosigkeit ihres Kamerablicks ist eine, die es gut meint. „Meine Bilder sollen keine Oberfläche, keine bekannten Klischees liefern.“ Fotografiert Gabo einen Menschen, ist sie auf der Suche nach dem anderen Gesicht, das offen und authentisch ist und nicht jeder sofort zeigt. Fotografiert Gabo einen Menschen, sieht sie sich mit ihm auf einer Augenhöhe. Als sie damals in Uganda die Aids-Kranken vor der Kamera hatte, fehlte dieses Gefühl.
Gabo hat in London, New York und Paris gelebt. Und nun Potsdam? „Noch nicht“, sagt Gabo. Die Adresse in der Gregor-Mendel-Straße dient ihr vorerst nur als „Showroom“, der Ort, wo sie ihre Arbeiten zeigt und Geschäftstermine abhält. Kein Ausstellungsraum für die Öffentlichkeit oder Wohnsitz, den hat sie noch auf Mallorca. Doch Potsdam hat es ihr angetan. Nach Jahren auf der Mittelmeerinsel wollte sie zurück, hatte zuerst an Berlin gedacht. Doch egal welchen Stadtbezirk sie sich in der Hauptstadt angesehen hat, keiner gefiel ihr. Dann erinnerte sie sich, dass sie kurz nach der Wende über die Glienicker Brücke kommend, nach Potsdam fuhr und sie schon damals die Stadt fasziniert hatte. Als Gabo wieder über die Glienicker Brücke fuhr, ging ihr das Herz auf, sagt sie. Ihre Mutter und ihr 20-jähriger Sohn leben schon hier. Gabo will spätestens in diesem Jahr die Entscheidung fällen, ob sie endgültig nach Potsdam kommt.
Und wie war das nun mit Fischer und Clapton? Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer kam zu früh zum Fototermin. Weil wenig Zeit war und das Set noch nicht aufgebaut, bugsierte sie Fischer aufs Dach der Oper. Dort hat sie ihn, der eigentlich Höhenangst hat, für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ fotografiert. Den Gitarristen Eric Clapton traf sie in einem Hamburger Hotel. „Doch Clapton hatte überhaupt keine Lust.“ Doch so lustlos wie er war, Gabo ihn trotzdem fotografiert und eines der wohl eindruckvollsten Portraits des Musikers geschaffen. Berührungsängste kann sich Gabo in ihrem Beruf nicht leisten.
Dirk Becker
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