Kultur: „Das bin doch ich!“
Die Sinnsuche junger Leute: der Literaturwettbewerb des Helmholtz-Gymnasiums
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Man kann das Helmholtz-Gymnasium nur beglückwünschen. So viel Kultur dort, wo man Wert auf strenges, folgerichtiges Denken legt, war auch bei der achten Auflage des innerschulischen „Literaturwettbewerbs“ am Donnerstag überraschend. Überall im Hause fand man Bilder, Berichte, Künstlerisches zum diesjährigen Thema „Das bin doch ich“, und wieder versammelte sich in der Aula mit ihrer schönen Holztonnen-Decke allerlei Volk, um die Preisträger solcher Schöngeistigkeit zu ermitteln.
Neben dem Pop-Chor „versorgten“ Henrik Baumgarten (Sax) und Johannes Paul (Klavier) Schüler und Lehrer, Freunde und all die lieben Anverwandten mit Musik: erstklassigem Boogie. Durch den Abend führten, aus Tradition immer die zwölften Klassen, Marieke Vandrey sowie Tim Fahrendorff, der sich später mit seinem Text über ein völlig verwüstetes Potsdam als zweiter Preisträger seiner Kategorie erweisen sollte. An zwei Tafeln auf der Bühne konnte man die geistigen „Sponsoren“ dieses so lebhaften wie ernst gemeinten Abends bildhaft sehen: Dürer, Zille, Picasso. Zwölf Juroren hatten die „bergeweise“ eingereichten Texte von den fünften bis zu den dreizehnten Klassen fachgerecht zu begutachten, darunter der Schriftsteller Walter Flegel, Rechtsanwalt René Schmidt, Potsdams Polizeidirektor Ralf Marschall und das Literaturladen-Chef Carsten Wist. Theaterregisseur Horst Lonius trug einige der ausgezeichneten Werke mit sachverständigem Witz im Schein einer Tischlampe vor.
Gut getroffen, stellte das diesjährige Thema die Sinnsuche junger Leute ins Zentrum. Sie beginnt offenbar bereits in den Klassenstufen fünf und sechs. Von der Erzählung über das Bänkellied bis zum Gedicht waren neunzehn Beiträge eingereicht worden, meist in der Ich-Form geschrieben. Roman Kempt erhielt für seine selbstkritische Erzählung „Der Streber“ den ersten Preis. Sie zeigt mit feiner Ironie, wie sich der „kleine Feigling“ André bei den Stärkeren Respekt verschafft. Maria Vagt hat sich die poetische Nixen-Geschichte „Das bin doch ich“ in der folgenden Klassenstufe ausgedacht. In Gestalt einer Tochter Neptuns hält sie das ganze Unterwasservolk dazu an, sich gefälligst um ertrinkende Menschen zu kümmern. Ein genauso wunderbarer Text wie der von Nadja Krüger (9/10), in dem sich eine Liebe im „Regen“ regt. Er beschreibt mit literarischem Spürsinn die flüchtige Begegnung eines Mädchens und eines Jungen jeweils aus der Perspektive des anderen.
Nicht so gut funktionierte der „Poetry-Slam“ für den Deutsch-Leistungskurs der Jahrgänge 11/12. Beifall sollte entscheiden, wer da einen der regulären oder der Sonderpreise gewann. Wegen mehrfachen Patts bekam jeder einen ab. Hier fand man eine Spiegelszene, Lyrik, aber auch Feuilletonistisch-Nachdenkliches über die Total-Sexualisierung dieser seltsamen Gesellschaft.
Letztlich die Sekundarstufe II mit einer unglaublichen Menge von Texten. Isa Schramm, Ann-Kathrin Kaufmann, Elisabeth Ruppert und Tim Fahrendorff hießen die Geehrten. Den ersten Preis aber bekam Linda Hamann für ihre überzeugend-witzige Schilderung eines ganz normalen Faultages. So viel Lakonie, so viel gespielte Gleichgültigkeit, so viel aufregende Langeweile, um dann festzustellen, es war alles nichts, nun müsse sie erst mal richtig ausschlafen, was hier „Nachmittag“ bedeutet. Auch das gehört ja zum Thema „Ich“. Gerold Paul
Gerold Paul
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