Kultur: Das Dilemma von Vater und Sohn Axel Ranischs neuer Film „Ich fühl mich Disco“
Verängstigt muss Florian, ein Teenager mit ein paar Pfunden zu viel auf den Rippen, sich von seinem Vater Hanno zum Mopedfahren drängen lassen. Natürlich geht das schief.
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Verängstigt muss Florian, ein Teenager mit ein paar Pfunden zu viel auf den Rippen, sich von seinem Vater Hanno zum Mopedfahren drängen lassen. Natürlich geht das schief. Und hinterlässt in Florian einmal mehr das Gefühl, von seinem Vater nicht gemocht zu werden. Dass sich Väter mit ihren Teenager-Söhnen nicht verstehen, weil die sich anders entwickeln, als sie es erwarten, ist nicht ungewöhnlich. Der Film, den Regisseur Axel Ranisch darüber gedreht hat, dagegen schon. Denn so komisch wie absurd, so tragisch wie anrührend und mit Charme inszeniert wie die Beziehung zwischen dem kernigen Vater Hanno, der in der Schwimmhalle Kunstspringer trainiert, und Florian, dem liebenswerten Moppel, der sich unter der Spiegelglaskugel in die Musik seines Schlageridols hineinträumt, hat man Vater-Sohn-Geschichten selten gesehen. Ranisch, der an der Babelsberger Filmhochschule studiert hat, eilt nach seinem Diplomfilm „Dicke Mädchen“ bereits ein Ruf voraus: der Saal im Thalia Filmtheater bis auf den letzten Platz ausverkauft, als er beim „Aktuellen Potsdamer Filmgespräch“ am Dienstag seinen neuen Spielfilm „Ich fühl mich Disco“ vorstellte.
Bei der Mutter findet Florian Trost für die harsche Verständnislosigkeit des Vaters, gemeinsam können sie zur Musik von Schlagerstar Christian Steiffen tanzen und – in wunderbar surealen Sequenzen – Fantasiewelten bereisen. Doch als sie in ein Koma fällt, aus dem es kein Erwachen geben wird, müssen Vater und Sohn lernen, miteinander klarzukommen. Und als sei das nicht schon schwer genug, verliebt sich Florian auch noch in Turmspringer Radu.
Axel Ranisch, der sich über die ihm aus dem Publikum entgegengebrachte Anerkennung zu freuen wusste, erzählte im Gespräch die lange Geschichte der elf Drehbuchfassungen, die immer wieder geändert werden mussten. Der Überraschungserfolg von „Dicke Mädchen“ brachte es jedoch mit sich, dass ihm letztlich Produzentinnen und Geldgeber frei Hand ließen. „Der Film ist zu 100 Prozent Ranisch“, sagt der Regisseur, der – ein Schüler Rosa von Praunheims – seine Geschichten stets in sich selbst findet. Die Rolle von Vater Hanno hat Ranisch von Anfang Heiko Pinkowski zugeschrieben. Pinkowski, mit dem er freundschaftlich verbunden ist, spielte bereits in „Dicke Mädchen“ eine der Hauptrollen. Und es ist großartig anzusehen, wie einsam und gleichzeitig komisch Heiko Pinkowski diesen Hanno Herbst spielt, der seine Gefühle unter einem tief über die Mundwinkel hängenden Schnauzbart zu verstecken versucht: wenn er völlig betrunken durch die geschlossene Eingangstür, die er unabsichtlich aus den Angeln gebrochen hat, in die Neubauwohnung stolpert. Dass gerade diese Szene nicht geplant war, sondern dem „Filmgott der Zufälle“ zu verdanken ist, erzählte Axel Ranisch im Gespräch. Mit dem charmant-unbeholfenen Darstellter Frithjof Gawenda wurde für die Besetzung des Florians nach langer Suche in Stralsund schließlich die Nadel im Heuhaufen gefunden, so der Regisseur. Sein Spiel wirkt so begabt, dass abzuwarten bleibt, ob die Filmerfahrung für ihn nur eine einmalige bleibt. Gabriele Zellmann
Gabriele Zellmann
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