Kultur: Das Drehbuch, das Drehbuch und das Drehbuch
Workshop mit „Factotum“-Regisseur Bent Hamer im Filmmuseum
Stand:
Welches sind die drei wichtigsten Zutaten für einen guten Film, wurde Alfred Hitchcock gefragt. Seine Antwort ist zu einem Credo geworden: „Das Drehbuch, das Drehbuch, und das Drehbuch.“
Auch die Europäische Union knüpft ihre Hoffnungen, mit einer europaweit konkurrenzfähigen Filmindustrie US-Hollywood etwas entgegen zu setzen, an diese Grundlage eines jeden Films. So fördert sie den Drehbuchworkshop „Sources 2“, der seit etlichen Jahren durch die Mitglieds- und Beitrittsländer zieht und gerade für sieben Tage in Potsdam Station macht. Hier unterstützt das Medienboard Berlin-Brandenburg und die Deutsche Filmförderanstalt die Zusammentreffen. Die internationalen Teilnehmer diskutieren und analysieren ihre eigenen Projekte und werden von gestandenen Profis beraten.
Ein Höhepunkt dieser Kreativtreffen ist immer die so genannte „Source of Inspiration Lecture“. Hier kann, sagte der für den Dokumentarfilm zuständige Berater Rolf Orthel zu den Nachwuchsautoren am Samstag im Filmmuseum, „in die Küche geschaut werden, wie etwas gemacht wird“. Istvan Szabo und Mika Kaurismäki gehörten schon zu den Vortragenden. Letzterer war 2001 sogar schon im Filmmuseum, mit dem der Drehbuchwanderzirkus von „Sources 2“ seither gerne zusammenarbeitet. Es gehe um die Technik des Schreibens, in Filmdeutsch „Storytelling“ genannt. Das erste Ziel sei zwar nicht, dass die entwickelten Geschichten auch tatsächlich gedreht werden, sagte Orthel. Dennoch zeigen 52 verwirklichte Spiel- und Dokumentarfilme auf den Leinwänden Europas: „Das bringt etwas“.
Dann kommt „Factotum“-Regisseur Bent Hamer ins Spiel. Der Norweger wird von David Wingate über seine Inspirationen in seinem zuvor gezeigten Film befragt. Matt Dillon spielt Henry „Hank“ Chinaski, Alter Ego des 1994 verstorbenen Schriftstellers Charles Bukowski, der die Romanvorlage als eine Art Biografie verfasste. Chinaski macht den gesamten Film über das, was wohl auch Bukowski am besten konnte: Saufen, Sex haben und auf Pferde wetten. Aber während er von einem mies bezahlten Job zum nächsten torkelt, vergisst er doch eines nie. Sich an den Schreibtisch zu setzen, zu schreiben und seine Kurzgeschichten ungebeten an eine Zeitschrift zu senden.
Wie viele Gleichaltrige entdeckte Hamer schon mit Anfang Zwanzig die Werke von Charles Bukowski und erlag ihrem authentischen Verlierer-Charme. „Ein herausragender Autor", sagt Hamer, der neben Film auch Literatur studierte, der das Leben von Außenseitern schildere, „ohne pathetisch zu sein“.
Die Filmrechte, so erfuhr er von Bukowskis Witwe Lili, wären noch zu haben gewesen. In drei Sekunden hätte sich Hamer dann zu dem Projekt entschieden. So entstand ein Film mit amerikanischen Stars wie Matt Dillon, Lili Taylor und Marisa Tomei, der in Minneapolis gedreht wurde. Außer der privaten Finanzierung durch Co-Produzenten Stark, war man auf eine europäische Förderung angewiesen, unter anderem von „arte“. Selbst die ganz großen Schauspielernamen, hat Bent Hamer dabei gelernt, garantieren im U.S.-Geschäft noch keine Unterstützung.
Je mehr sich Hamer – der neben der Regie auch mit Jim Stark das Buch geschrieben hat und als Produzent auftrat – mit Bukowski beschäftigte, desto mehr schätzte er besonders dessen Lyrik. Hamer nutzte die lakonischen Gedichte, um seinem Film die richtige Struktur zu geben. Er ließ die Stimme aus dem Off, die Chinaskis alkoholgeführter Traumwanderung zwischen Gurkenfabrik, dem Bett seiner Geliebten Jan und der Pferderennbahn begleitet, Bukowskis Poetik rezitieren. „Menschen brauchen keine Liebe“, heißt es da, „sie brauchen eine Art Erfolg“ oder „Wenn du etwas versuchst, dann geh den ganzen Weg“.
Das Erstaunliche an seinem Film sei, dass hier der traurige Held eigentlich keine Wandlung durchmache. Das widerspräche jedem Lehrbuch für ein gutes Skript, so der Regisseur.
Matt Dillon schlurft meisterhaft durch das Leben seiner Figur Chinaski-Bukowski, und kommt nicht voran. Eine Trinkerhölle, kurz vor dem Abschmieren. Aber nur eigentlich. Während Chinaski in einer Stripbar wegdämmert, hat die Zeitschrift sein Talent schon längst erkannt und eine Geschichte von ihm veröffentlicht.
Der Weltruhm nahm seinen Lauf.
Matthias Hassenpflug
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: