Kultur: Das Engelskind
Kirchenkalender mit Fotos von Florian Rummler
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Dieser Engel scheint selbst schutzbedürftig zu sein. Die feine helle Haut wirkt wie zartes Porzellan, sein weiter Blick ist von durchdringender Wärme und leiser Melancholie. In seinem Gesicht ist nichts Verklärtes, nur die Natürlichkeit eines unschuldigen Kindes, das die Kraft seiner Flügel als stützende Arme fühlt. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“, steht unter dem Engelskind geschrieben: auf einem Kalenderblatt, das die Figur mit der weißen Lilie als Symbol der Reinheit emporschweben lässt.
Fotografiert wurde sie von Florian Rummler, der von der Evangelischen Pfingstkirche Potsdam vor gut einem Jahr den Auftrag erhielt, den jährlich erscheinenden Kalender der Gemeinde mit seinen Aufnahmen zu füllen. Der Medizinstudent entdeckte die Schönheit der spätromantischen Farbglasfenster und war begeistert von ihrer Leuchtkraft und den Botschaften mit den Heiligendarstellungen und Szenen aus dem Leben Jesu. Vor allem aber von dem Engel, der nach dem Bildnis eines verstorbenen Kindes gemalt wurde. „Florian hat vielleicht selbst schon die eigene Endlichkeit gespürt“, sagt Regine Rüss über den jungen Freund, der am 15. September mit 23 Jahren verstorben ist. „Er kämpfte um jedes Foto, trotzte den Schmerzen und der Kälte in der Kirche und sagte: ,Das Altarbild müssen wir unbedingt noch hinkriegen’.“
So ist dieser Kalender nicht nur ein anregender, entdeckungsreicher Jahresbegleiter durch 2010, sondern auch ein klangvoller Nachruf. Er hebt die Schätze dieser kleinen Evangelischen Kirche in der Großen Weinmeisterstraße, deren Mitglied Florian Rummler war, und lädt ein, genauer hinzusehen. Auf den von Eisen durchbohrten Schmerzensmann ebenso wie auf die blühenden Seerosen.
Heidi Jäger
Erhältlich für 10 € in der Stiftungsbuchhandlung und im Internationalen Buch; der Erlös kommt der Pfingstkirche zugute.
Heidi JägerD
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