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Mit Leidenschaft für die Kammermusik. Die Geigerin Baiba Skride.

© agentur/borggreve

ZUR PERSON: „Das Finale ist einfach ein Feuerwerk“

Baiba Skride über Beethovens Kreutzer-Sonate und das Zusammenspiel mit ihrer Schwester

Stand:

Frau Skride, bei Ihrem Konzert am Samstag stehen unter anderem Schubert und Beethoven auf dem Programm. Zwei Komponisten, die im Zusammenspiel mit Ihrer Schwester Lauma Skride immer wieder zu hören sind. Was macht Schubert und Beethoven für Sie so besonders?

Schubert und Beethoven sind die zwei großen Komponisten, gerade was die Kammermusik angeht. Und hier ragen vor allem die Violinsonaten heraus. Es ist schwer, etwas Schöneres und Genialeres in der Kammermusik zu finden als die Schubert- oder Beethovensonaten. Die Kreutzer-Sonate ist ja fast schon ein Konzert für Klavier und Geige ohne Orchester. Das ist einfach ein so bedeutendes Werk und wir lieben es über alles. Schubert hat wiederum eine so ausgeglichene Musik für Geige und Klavier geschrieben, das ist einfach nur wunderschön.

Wenn Sie sagen, gerade die Kreutzersonate von Beethoven lieben Sie, was macht das so besonders für Sie als Geigerin?

Die Kreutzer-Sonate ist viel virtuoser als die anderen Beethovensonaten. Sie ist brillanter, man kann viel mehr zeigen. Aber sie ist musikalisch genauso tief wie die Sonate Nr. 10 oder Nr. 7. Gerade die späteren Sonaten sind alle wahnsinnig tiefgängig. Aber in der Kreutzer-Sonate ist einfach alles mit drin. Sie hat diese unglaubliche Stärke, gleich vom ersten Satz an. Ich kann das irgendwie schlecht beschreiben. Das, was dich im ersten Satz gleich nach vorne bringt, ist einfach unglaublich stark. Und dann kommt dieser wunderschöne zweite Satz mit seinem immer wiederkehrenden Thema. In den fünf verschiedenen, so schön geschriebenen Variationen ist für jedes Instrument wirklich alles dabei. Es gibt eine wunderschöne Klaviervariation, dann die Geigenvariation. Es ist einfach genial, was Beethoven da geschaffen hat. Und das Finale ist dann einfach ein Feuerwerk.

Wobei die anspruchsvolle Kreutzer-Sonate sehr schnell zu einem bloß technischen Feuerwerk verkommen kann und das Musikalische auf der Strecke bleibt.

Ja, natürlich. Das ist ein großes Werk und dabei nur für zwei Instrumente. Man muss die richtige Balance finden, inwiefern man solistisch spielt und inwiefern man sich auch zurücknimmt. Und diese Balance zwischen beidem zu finden ist nicht einfach. Die Schwierigkeit besteht darin, das ganze musikalisch gesehen zusammenzuhalten. Die Sonate ist doch sehr lang und es ist so wichtig, diesen Zusammenhang zu schaffen. Das ist schwierig. Auf der anderen Seite ist die Musik so inspirierend und so faszinierend, dass dies einem auch leichter fällt. Ich liebe auch die Sonate Nr. 10, aber die ist musikalisch viel schwergängiger zu gestalten. Die Kreutzer-Sonate läuft irgendwie auch von alleine, wenn man sie erst einmal verinnerlicht hat. Abgesehen vom berühmten Anfang des Geigensolos, der wahrscheinlich schwerste Anfang eines Violinenkonzertes von Beethoven, den es gibt.

Wenn Sie Schubert an den Anfang und Beethovens Kreutzersonate an den Schluss Ihres Konzerts stellen, ist da ja eine Dramaturgie zu erkennen. Worin besteht für Sie der größte Unterschied zwischen Schubert und Beethoven?

Schubert ist immer wahnsinnig schwer zu spielen. Egal welche Sonate. Ich glaube, Schubert fordert die meiste Konzentration, die man bei Kammermusik jemals braucht. Die Musik ist so filligran, dass wirklich keine einzige Note zu viel ist. Jede Note hier hat ihren Sinn. Selbst wenn man meint, es ist nur eine Begleitung, ist alles genau so, wie es sein sollte. Es erfordert einfach, mit dem Kopf immer da zu sein. Offiziell heißen sie Sonatine, aber es sind große Sonaten. Ich glaube, er hat sie nur so genannt, damit er sie besser verkauft. Das sind große und wirklich großartige Werke. Aber sie sind viel subtiler als Beethoven. Hier ist alles intimer. Darum ist Schubert auch immer sehr schwer in einem großen Saal mit vielen Leuten zu spielen, einfach von der Atmosphäre her. Er vermittelt irgendwie ein heimisches, sehr intimes Gefühl. Das ist wirklich Kammermusik.

Auf Ihrem Debütalbum war unter anderem Bach zu hören. Mittlerweile spielen Sie mit Ihrer Schwester auch viele zeitgenössische Kompositionen, die extra für Sie geschrieben wurden. Ist Bach immer noch ein wichtiger Komponist für Sie?

Bach war und wird immer der Grundstein oder wie ich es mal von jemandem gehört habe, der Großvater aller Komponisten bleiben. Für mich ist das mehr etwas für Sologeigenspieler. Ich spiele keine Barockgeige oder auf alten Saiten. Ich spiele selten Sonaten- oder Violinenkonzerte von ihm, das ergibt sich nicht so oft. Aber wenn ich alleine spiele, spiele ich Bach sehr oft. Zu Hause höre ich immer noch sehr viel Bach. Das ist ja das Schöne an unserem Beruf, wir können alles immer abwechseln. Es gibt so viel schöne Musik. Beethoven wird auch immer präsent bleiben, so wie Mozart. Aber man kann nicht immer alles schaffen. Es gibt zu viel Musik. Man muss einfach eine Auswahl treffen.

Ist es für Sie nach all den Jahren im internationalen Konzertbetrieb und dem damit verbundenen ständigen Wechsel von musikalischen Partnern etwas Besonderes, wenn Sie zusammen mit Ihrer Schwester spielen?

Ich würde das umdrehen. Es ist wahrscheinlich eher etwas Besonderes, wenn ich nicht mit meiner Schwester spiele. Wir beide sind es einfach gewohnt, miteinander zu spielen. Das ist für uns das Normalste auf der Welt. Natürlich diskutieren wir auch ab und zu über neue und über alte Stücke oder über neue Ideen. Und wir spielen zwischendurch auch immer wieder mit anderen Musikern. Man hat dann aber das Gefühl, als würde man wieder nach Hause kommen. Man kennt das, es ist alles sicher und selbstverständlich, was passiert. Und trotzdem mögen wir es, uns auf der Bühne gegenseitig zu überraschen. Das machen wir auch absichtlich. Die Sicherheit ist da, dass der eine dem anderen folgt und schon bevor es passiert, versteht, was geschehen wird. So versuchen wir immer ein paar Späße zu machen.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Baiba und Lauma Skride spielen am morgigen Samstag, dem 27. April, um 20 Uhr im Nikolaisaal in der Wilhelm-Staab-Straße 10/11. Der Eintritt kostet zwischen 8 und 30 Euro

Baiba Skride, 1981 in Riga geboren, zählt zu den profiliertesten Geigerinnen unserer Zeit.

In ihrer Heimat Lettland besuchte Baiba Skride zunächst eine Musikschule, danach eine Spezialschule für Musiktalente in Riga. Seit 1995 studierte sie an der Hochschule für Musik und Theater Rostock bei Petru Munteanu. Im Jahr 2001 gewann sie den 1. Preis des Queen Elisabeth Wettbewerbs in Brüssel.

Zunehmend widmet sich Baiba Skride auch der zeitgenössischen Musik. Mit ihrer Schwester und langjährigen Kammermusikpartnerin Lauma Skride spielt sie 2011/12 die Weltpremiere des für die beiden Skrides komponierten Doppelkonzerts für Violine und Klavier des dänischen Komponisten Hans Abrahamsen mit dem Royal Danish Orchestra sowie mit dem Swedish Chamber Orchestra. PNN

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