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Kultur: Das Flüstern der Landschaften

Sandra Bartocha eröffnet ihre Ausstellung „Layers“ am heutigen Donnerstag in der „Fotogalerie Potsdam“

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Landschaft, das ist mehr als die Gräser und Sträucher, die Bäume und Hügel, die wir sehen. Das ist mehr als das Wasser und die Steine, mehr als Wind und Licht und was die Jahreszeiten aus ihr machen. Denn Landschaft, das ist mehr als das Sichtbare, mehr als das Offensichtliche. Eine Aussage, die nicht neu und auch nicht besonders originell ist. Aber die dem Betrachter der Bilder von Sandra Bartocha wieder ganz deutlich bewusst wird. Landschaft, das ist immer auch ein Dahinter. Etwas Weites, sehnsuchtsvoll Entferntes, gleichzeitig auch etwas Inneres. Wie ein kostbares Gefühl, einer dieser seltenen Momente, in dem sich etwas öffnet, das nur unzureichend mit Schönheit beschrieben werden kann. Doch wo die Worte fehlen, sprechen Bilder. Wie die von Sandra Bartocha, die ab heutigem Donnerstag in der Ausstellung „Layers“ in der „Fotogalerie Potsdam“ im „Treffpunkt Freizeit“ zu sehen sind.

In Mecklenburg ist Sandra Bartocha geboren und aufgewachsen. Umgeben von Seen, Wäldern und Feldern, wie sie sagt. Sie habe sich hier einfach zur Natur hingezogen gefühlt. Eine Zeit und Empfinden, die sie geprägt haben und in ihr eine Verbundenheit geschaffen haben, die ihren Blick auf Landschaft bis heute prägt. Durch ihren Vater, der für eine Zeitung vor allem Porträts machte, erhielt sie die ersten Impulse und kam dann mit 16 Jahren im Fotoklub Neubrandenburg mit Gleichgesinnten zusammen. „Hier erhielt ich die dann entscheidenden Hinweise und Tipps.“ Als sie zwei Jahre später als Au-pair nach Amerika ging, fiel ihre Entscheidung auf den Bundesstaat Minnesota – der Landschaften wegen.

Die Fotografie hat Sandra Bartocha, die seit ihrem Studium in Potsdam lebt, zu ihrem Beruf gemacht. Sie ist freischaffende Fotografin, hat zwei Bücher über die Landschafts- und Tierfotografie und unter anderem einen außergewöhnlichen Bildband über den Müritz-Nationalpark herausgegeben. Die 34-Jährige ist Vizepräsidentin der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen und Chefredakteurin der Verbandszeitschrift „Forum Naturfotografie“. Sie fotografiert in Brandenburg und Mecklenburg und seit drei Jahren intensiv in Skandinavien für ein Langzeitprojekt, das sie im Jahr 2016 abschließen möchte. „Dann soll ein hochwertiger Bildband erscheinen“, sagt sie. Ein Bildband mit Landschaftsaufnahmen, denn Landschaft, das ist Sandra Bartochas Passion.

„Mir geht es nicht um Dokumentation“, sagt Sandra Bartocha über ihre Bilder. Das, was für den Betrachter wie ein besonderer Blick auf die Natur wirkt, ist bei ihr immer der Versuch, dieses schwer zu definierende Mehr in und hinter der Landschaft mit einzufangen. Im Grunde das, was der Blick in die Natur im Beobachtenden auslöst. Um diesen Gefühlen, diesen Empfindungen mit ihren Aufnahmen so nahe wie möglich zu kommen, hat sie sich für die Bilder in der Ausstellung „Layers“ („Schichten“), die einen Querschnitt ihrer Themen zeigt, für die Mehrfachbelichtung entschieden. Bei einem Spaziergang im Frühjahr hatte sie einen Baum entdeckt, der mit seiner Blütenpracht in diesem Moment ganz ihrem Gefühl entsprach. Aber allein den Baum zu fotografieren, das wäre dem nicht gerecht geworden. Und so hat sie für „Tree Visions“ diesen Baum im Prozess der Mehrfachbelichtung zehnmal fotografiert, dabei auch ganz leicht ihren Standort variiert und diese zehn Aufnahmen übereinandergeschichtet. So entstand ein Bild von malerischer Qualität, ein flirrendes, impressionistisches Traumgebilde. Daneben sind Mohnfelder und Waldansichten und farbenprächtig-verstörende Bilder von Waldböden zu sehen. Verstörend, weil durch die Mehrfachbelichtung oft der Eindruck entsteht, hier würde sich noch etwas zwischen Gras und den Blättern verstecken.

Auf die Frage, wie sie versucht zu verhindern, dass sie mit ihren Aufnahmen ins Klischeehafte abrutscht, wie es im Bereich der Naturfotografie oft der Fall ist, antwortet Sandra Bartocha, dass sie das nicht tue. Denn oft genug sei es ja gerade eine solche klischeebeladene Landschaft, die in uns bestimmte Empfindungen weckt. Dass in ihren Bildern trotz der Farbigkeit und dem Spiel mit diesen bekannten Motiven eine feine Balance gehalten wird, die das Klischee zwar zitiert, es gleichzeitig aber auch überlistet, liegt wohl in der besonderen Verbundenheit begründet, die Sandra Bartocha zur Natur entwickelt hat.

Wenn sie in die Natur geht mit ihrem Stativ und ihrer Nikon D800, oft in den Morgen- oder Abendstunden, ist sie fast immer mit einem selektiven Blick unterwegs. Sie sucht das Detail, den besonderen Ausschnitt, den sie sich aus der Landschaft herauszieht und zu einem Bild macht. Obwohl Bild, je länger man die Aufnahmen von Sandra Bartocha betrachtet, nicht das richtige Wort dafür ist. Es sind Impressionen einer Fotografin, die sich selbst als hoffnungsvolle Romantikerin bezeichnet. Und das im positiven Sinne. Denn ihre fotografischen Landschaftseindrücke verzaubern mit einer Mischung aus klassischer Schönheit und Bewusstsein für Ästhetik, mit dem Spiel der Wahrnehmungen und immer auch einem Hauch von Melancholie. In ihren besten Momenten sind diese Fotografien dann selbst schon wie ein Eintritt in die Natur. Wer nur lange genug hinschaut und lauscht, kann es auch hören, das Flüstern dieser Landschaften.

Die Ausstellung „Layers“ eröffnet am heutigen Donnerstag um 19 Uhr im Foyer des „Treffpunkt Freizeit“, Am Neuen Garten 64, und ist bis zum 3. März montags bis freitags von 8 bis 21.30 Uhr zu sehen

Dirk Becker

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