Von Dirk Becker: Das Gift der Verführung Unterwegs mit Ulita Knaus im Nikolaisaal
Ein wenig Fremdheit bleibt immer. Trotz all der Jahre, die sie nun schon in dieser Stadt lebt.
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Ein wenig Fremdheit bleibt immer. Trotz all der Jahre, die sie nun schon in dieser Stadt lebt. Ulita Knaus ist auf dem Land aufgewachsen und es gibt immer wieder diese Tage, wo sie in ihrer Wahlheimat Hamburg die Weite und die Ruhe des Ländlichen vermisst. Diese Häuserschluchten, die vollen Straßen, dieser ewige Verkehr. Diese Stadt, ein ruheloses Wesen, ständig getrieben von den Menschen, die in ihr leben. Manchmal muss Ulita Knaus aus Hamburg fliehen, um den Kopf frei zu bekommen. Manchmal genügt es auch, nur an der Elbe spazieren zu gehen. Doch egal wie groß ihr Groll auf diese Stadt auch immer sein mag, fährt sie über die Elbbrücken und sieht Hamburg vor sich liegen, weiß Ulita Knaus, dass sie hier zu Hause ist.
„It“s the city“ heißt das aktuelle Album der Sängerin Ulita Knaus, das sie am Samstag in der Reihe „The voice in concert“ im Nikolaisaal vorstellte. Wenn man so will ein Hommage an Hamburg, eine musikalische Stadtrundfahrt, auf der sie zusammen mit ihrem Trio ihren ganz persönlichen Blick, ihr Leben und Erleben in dieser Großstadt präsentierte. Stadtgeschichten für Stadtmenschen, die an diesem Abend wieder zahlreich kamen, so dass sich der „The voice in concert“-Stammgast fragte, wie lange es wohl her sein muss, dass er nicht in einem fast ausverkauften Konzert gesessen hat. Sehr lange!
Ulita Knaus fackelte nicht lange, bis sie ihren musikalischen Virus unter die Zuhörer brachte, um die entsprechende Wirkung zu erzielen. „It''s the city“ war das Eröffnungsstück, das sich anfangs harmlos im Gewand eines Jazzstandards gab. Pianist Mischa Schumann, mit dem die 38-Jährige viele ihrer Lieder komponiert, gab Melodisch-Vertracktes, Oliver Karstens ließ seinen Kontrabass verhalten knurren und nur Ole Seimentz deutete am Schlagzeug an, dass da was im Anmarsch war. Und dann kippte es.
„It“s the city“ entledigte sich zum Teil seiner Jazzverkleidung und Ulita Knaus ließ den Soul durchscheinen. Mit entsprechender Wirkung. Da war diese fiebrige Hitze spürbar, die den Soul zum Knistern bringt. Und Ulita Knaus genoss es sichtlich, mit ihrer Stimme die Ansteckungsgefahr unter den Gästen nicht klein zu halten. Mit jedem weiteren Lied gab sie wohldosiert und leicht gezügelt von ihrem süßen Gift frei, fast immer nach dem gleichen Muster. Zuerst die leicht verspielte Kühle eines Jazzstandards, die jedoch nur das Vorspiel für ihre gezügelte Soulleidenschaft blieb.
Ihre Mitmusiker beschränkten sich dabei fast ausschließlich auf die Begleitung, überließen, sich der Wirkung ihrer Stimme sehr wohl bewusst, der Sängerin das Feld. Gelegentliche Soloeskapaden unterstrichen nur die Meisterschaft, mit der Schumann, Karstens und Seimentz hier agierten. Nur gelegentlich drängte sich das Schlagzeug zu sehr in den Vordergrund und begrub das feine Klanggespinst, das Klavier und Bass woben.
Zurückhaltend und gleichzeitig äußerst hartnäckig gab sich an diesem Abend Ulita Knaus auf ihrem musikalischen Stadtspaziergang. Und mit jedem weiteren Lied wirkte ihre Mischung aus Soul und Jazz immer stärker. Mal ganz süß, dann etwas spröde. Ein verflucht verführerisches Gift. Dass Ulita Knaus dabei von ihrer Wahlheimat Hamburg erzählte, war schnell egal. Erst einmal infiziert, wirken diese Lieder selbst im kleinsten Dorf.
Dirk Becker
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