Kultur: Das Herz auf den Lippen
Klaus Büstrin
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Mehrmals schon sollte das Hans Otto Theater ein neues Haus erhalten. Aber immer wieder wurde ein Neubau verschoben, kurz nach der Wende der Rohbau des Theaters sogar abgerissen, weil dieser „am falschen Platz“ stand. Am 22. September 2006 ist es soweit: Am Havelufer in der Schiffbauergasse wird sich der Vorhang im neuen Haus öffnen. In unserer Serie wollen wir an die vergangenen Jahrzehnte des Theaters erinnern, an Künstler auf der Bühne, dahinter und davor, an Schauspiel- und Musiktheaterereignisse, an Episoden aus dem Theaterleben Potsdams.
HEUTE: Ute Reinsch
Die Musiktheaterszene des Hans Otto Theaters hatte bereits in den sechziger und siebziger Jahren einen hervorragenden Ruf zu verteidigen, besonders während der Intendanz von Gerhard Meyer. Er verstand es, ein junges Sängerensemble, fantasievolle Regisseure und engagierte Dirigenten, die den Sängern viel Raum zur musikalischen Entfaltung gaben, an das Haus zu binden. Erinnert sei an Dirigentenpersönlichkeiten wie Gert Bahner und Günter Herbig, die sich auch international einen Namen machten.
Zu den Gesangssolisten gehörte bis in die neunziger Jahre auch Ute Reinsch. Mit ihrer stets bemerkenswerten Bühnenpräsenz, ihrem technisch reifen, klangschönen Sopran gehörte sie zur beliebtesten Sängerin des Hans Otto Theaters. Die blieb sie beim Publikum auch dann, als andere Künstlerinnen bei der Besetzung von wichtigen Opernpartien Vorrang bekamen.
Im Jahre 1958 kam Ute Reinsch als blutjunge Sopranistin an das Potsdamer Theater, zunächst zum Tournee Ensemble, das bis Anfang der sechziger Jahre in Gasthöfen und Kulturhäusern im Märkischen vor allem mit Spielopern auftrat. 1961 machte sich die Sängerin im Haupthaus in der Zimmerstraße mit dem stets verliebten Cherubino in Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ in besonderer Weise auf sich aufmerksam. Seit dieser Zeit konnte sie eine Fülle interessanter Partien von Mozart bis zur Gegenwart singen, die ihren Kolleginnen und Kollegen kaum vergönnt gewesen sind. In weit mehr als sechzig Rollen war Ute Reinsch bis Anfang der neunziger Jahre auf der Bühne des Hans Otto Theaters zu erleben.
Im Mittelpunkt stand oftmals Mozart. Sie war die Pamina, die Erste Dame, Fiordiligi, Gräfin, Donna Elvira, Zaide, Madame Herz – Partien, die sie nicht einfach mit Kultur sang. Sie beeindruckte immer wieder, weil sie singend das Herz auf den Lippen trug.
Das konnte man auch bei den Interpretationen in anderen Rollen fast immer erleben. Beispielsweise bei der Halka. Moniuszkos national gefärbte Lyrik musste sie sich zwar erst erwerben, gleichwohl erspürte sie deren feinste Regungen, Auch an ihre köstliche „Hosenrolle“ des Zdenko in Richard Strauss“ „Arabella“ erinnert man sich gern. Der silbrige Sopran der Ute Reinsch neben dem Glanz der Nelly Ailakowa (Arabella) – welch glückliche Konstellation erlebte man zum Beispiel für das großartige F-Dur-Duett der beiden Schwestern.
Janaceks Katja Kabanowa, Puccinis Mimi oder Butterfly, Verdis Amelia oder Elisabeth offenbarten ebenfalls die große Force der Künstlerin, die in der lyrischen Leggierezza und in der unverstellbaren Emotion des Sängerischen und Darstellerischen lag. Gern sang Ute Reinsch auch immer wieder Operettenpartien – mit großem Erfolg. Man verpflichtete sie oft zu Oratorienaufführungen und zu Liederabenden, die sie mit großer Stilsicherheit meisterte.
Sich an Ute Reinsch zu erinnern, macht Freude, weil es mit großen Musiktheaterabenden in Potsdam verbunden ist.
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