Kultur: „Das ist Profimusik auf höchstem Niveau“
Simone Eckert über „Raritäten preußischer Hofkomponisten“: Konzert am Freitag in der Friedrichskirche
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Frau Eckert, „Mit Feuer und Bravour. Raritäten preußischer Hofkomponisten“ ist Ihr Konzert mit der Hamburger Ratsmusik anlässlich des 300. Geburtstages von Friedrich II. überschrieben. Hamburg und Potsdam im 18. Jahrhundert, gab es da überhaupt musikalische Verbindungen?
Es gibt eine ganz deutliche Schnittmenge. Das Ensemble Hamburger Ratsmusik hat eine lange Tradition, startete im 16. Jahrhundert und hat bis ins 19. Jahrhundert gewirkt. Ein ganz wichtiger Musiker, der Hamburger Ratsmusiker immer für seine Aufführungen hinzugezogen hat, war Carl Philipp Emanuel Bach. Wir belegen den ja gerne als Hamburger Bach, aber tatsächlich war er viel länger am preußischen Hof tätig, wo er auch drei ganz wichtige Sonaten für Gambe geschrieben hat.
Nun ist Carl Philipp Emanuel Bach bis heute vor allem als Cembalist bekannt.
Ja, er war für seine Zeit revolutionär. Er hat ja mit der barocken Tradition gebrochen und dadurch mit Sicherheit auch Streit mit seinem Vater angezettelt. Und er hat sich dem galanten Stil gewidmet. Das heißt zerrissene Melodien, Sprünge, krause Harmonien. Also wirklich mit allen Traditionen brechend. Und das auf einem Instrument wie der Gambe angewandt, die in dieser Zeit ja schon anfängt, unmodern zu werden und als antiquiert gilt. Das ist eine ganz reizvolle Kombination.
Bis heute gilt Friedrich II., was seinen Musikgeschmack betraf, vor allem als konservativ, Neuem wenig aufgeschlossen. Und dann holt er sich einen Musiker wie Carl Philipp Emanuel Bach an seinen Hof?
Carl Philipp Emanuel Bach war ein hochgeschätzter Musiker am Hof. Alle anderen Musiker, die dort komponierten, gingen ja auch in diese Richtung. Also ich denke, da war schon eine bestimmte musikalische Geistesströmung zu spüren.
Bei einem konservativen Preußenkönig?
Ich halte Friedrich nicht für konservativ. Der war sehr progressiv. Auch musikalisch, nicht nur als Denker, Philosoph und Staatsmann. Es hat sich in der Zeit an seinem Hof viel vorwärts bewegt.
Bei Ihrem Konzert in der Friedrichskirche ist auch Karl Friedrich Abel zu hören. Wie Carl Philipp Emanuel Bach einer, der der längst als antiquiert geltenden Gambe noch einmal eine Renaissance bescherte?
Ja, und zwischen den Familien Bach und Abel gab es ganz enge Verbindungen. Beide wirkten in Köthen unter Johann Sebastian Bach, der dort Hofkapellmeister war. Der junge Carl Friedrich Abel hat bei Bach wohl Unterricht gehabt. Man nimmt an, weil er zur gleichen Zeit wie Bach dann nach Leipzig gegangen ist, dass diese Verbindung, dieses Unterrichtsverhältnis weiter bestanden haben muss. Carl Friedrich Abel ist später nach London gegangen, dicht gefolgt vom jüngsten Bachsohn Johann Christian.
Und beide haben in London die ersten Abonnementkonzerte veranstaltet.
Ja, die ersten öffentlichen Konzerte. Sehr erfolgreich über viele Jahre.
Was ist der Unterschied zwischen Abel und Carl Philipp Emanuel Bach auf der Gambe?
Ganz klar: Abel ist Gambist. Er schrieb nur für sein Instrument. Diese Musik ist auf keinem anderen Instrument als der Gambe darstellbar. Bei Carl Philipp Emanuel Bach finden sich auch Passagen, die nur auf der Gambe spielbar sind. Aber es gibt beispielsweise eine Sonate von ihm, die auch für Bratsche denkbar wäre. Also nicht nur auf ein Instrument konzentriert, aber dennoch zauberhaft.
Und dann ist da noch Ludwig Christian Hesse.
Der war ja Gambist an der Berliner Hofkapelle. Und ihm ist es wohl zu verdanken, dass zu der Zeit noch so viel für Gambe dort geschrieben worden ist. Das ist alles technisch sehr, sehr anspruchsvoll, überhaupt nicht mehr vergleichbar mit dem sonstigen Europa, wo auf der Gambe auch ein guter Dilettant mit der Literatur zurecht gekommen wäre. Das ist in Berlin nicht der Fall. Das ist wirklich Profimusik auf höchstem Niveau.
Sie sprechen von der Berliner Schule?
Genau.
Aber was die Gambe betrifft, sind es vor allem die Kompositionen aus England und Frankreich, die noch heute zu den populärsten zählen. Warum führt die Berliner Schule so ein Schattendasein?
Schwer zu sagen, vielleicht hat es politische Gründe. Dass für uns alle der Süden Europas attraktiver ist und das Augenmerk daher eher auf Frankreich und Italien liegt, auch musikalisch. Aber vielleicht liegt es auch am technischen Niveau, dass eben diese Stücke doch sehr, sehr anspruchsvoll sind. Sowohl für den Spieler als auch für den Hörer.
Vielleicht ist es ja vom Anspruch her eher Musik für Musiker? Der unerfahrene Zuhörer findet schwerer den Zugang und hat so nicht viel davon.
Das betrifft ja alle Musik, nicht nur diese Berliner Musik, oder? Dass der geübte Hörer ohne Ressentiments, wenn wir nochmal bei Adorno anknüpfen wollen, einfach Übung braucht. Man liebt das, was man kennt, womit man vertraut ist.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Das Konzert findet am Freitag, dem 30. März, um 19 Uhr in der Friedrichskirche, Weberplatz 1, statt. Der Eintritt kostet 18 Euro, davon 3 Euro Spende für die Erneuerung der Orgel in der Friedrichskirche. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 70 88 62
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