zum Hauptinhalt

Kultur: Das Leben führt selbst Regie

Die Familiensaga der Potsdamerin Rena Braun

Stand:

Die Potsdamer Autorin Rena Braun war einundzwanzig, als sie ihrem Neuen, dem fünfzehn Jahre älteren Walter, das Jawort gibt. Das war im März 1964. Zwanzig Jahre wird sie mit ihm leben, zwei Kinder von ihm bekommen, seine Rauheit und Launen ertragen, seine Karriere bei der Kasernierten Volkspolizei begleiten, bis er in die Scheidung einwilligt. Trennungen spielen ja in ihren „Lebensgeschichten zum Nachdenken“ ohnehin eine große Rolle: Walter, für sie „der Inbegriff von Männlichkeit und Überlegenheit“, lässt sich ihr zuliebe von seiner ersten Frau scheiden. Rena dann von Walter, Gerd (ihr nächster) von seiner Bisherigen, Sohn Steve aus erster Ehe nach einer Kurzzeit von der Seinen, und auch Tochter Kathi erwägt, ihren Timo zu verlassen. In Gerd lernt sie endlich einen kennen, der ihr gibt, was sie braucht, Liebe, Geborgenheit – und einen Weg ins geliebte, begehrte Potsdam, wo die Christin Rena Braun heute lebt, arbeitet, malt. Der Titel ihrer autobiografischen Aufzeichnungen ist exemplarisch: „Unter dem Himmel sind die Wege nicht gerade“. Warum auch.

Vor dem Hintergrund der bekannten geschichtlichen Ereignisse rollt hier eine Familiensaga ab, bei der, mit Verlaub, das Leben selbst Regie führte.

Geboren wurde die Autorin in St. Pölten, zog aber im zehnten Lebensjahr mit den Eltern nach Thüringen, dann mit Walter nach Potsdam, von dort in einen kleinen Ort des Fläming. Vorderhand fühlte sie sich selbst unter der rauen Schale von Walter noch „vom Glück begünstigt“, ein paar Privilegien sprangen bei seiner Dienstart schon heraus, vor allem aber Einsamkeit, und Trauer, denn wegen ihm zogen sich ihre Eltern zurück, wie er sich von seinem gehbehinderten Sohn Steve. Die Füße wuchsen zwar wieder gerade, aber das Verhältnis blieb bis heute zerstört.

Überhaupt: Wie sie noch zweimal studiert und eigentlich immer wieder auf die Beine kommt, trotz DDR-Zeit und „Nachwende“, wie es auch ihrer Kathi relativ wohl und sicher erging, wie sich beider Verhältnis beinahe niemals trübte, so war Steve eigentlich der „Störfall“ für alle. Dem Vater zu gefallen, verdingte er sich auf zehn Jahre der Armee, wurde aber in Unehren entlassen, machte 89 bei Gethsemane in Berlin mit, rief dann – nach Stasi-Knast und Abschiebung – aus Hannover an, nahm Drogen, wanderte nach den Kanaren aus, wo ihn die Mutter besuchte. Jetzt lebt er wieder in Deutschland. „Wir telefonieren oft, sehen uns aber selten“, heißt es auf der allerletzten Seite. Kathi war einfach pflegeleichter.

Das sind die offenen Wunden dieser unvollendeten „Autobiographie“. Weiterdenken tut hier sogar Not: Mit der endgültigen Ankunft im geliebten Potsdam Anfang 2009 endet Rena Braun ja wie im Glück. Sie hat, nach Ibsen, schreibend über sich zu Gericht gesessen. Warum aber malt sie nun „manchmal stundenlang exzessiv“, und was, und woher das Bedürfnis, ihre Lebensgeschichte anderen mitzuteilen? Vielleicht wegen Steve. „Wie sich die Zukunft auch gestalten wird, die Vergangenheit wird in ihr weiterleben“, lautet eines ihrer Fazits.

Könnte man dem Paperback mangelnde Sorgfalt im Satz und übertriebene Mitteilsamkeit auf dem Revers vorwerfen, so ist die Autoren-Entscheidung zugunsten einer „Biographie“ doch zu loben. Nicht mal Utta Danella hätte es in einem Roman gewagt, diesem stets problemlos netten Gerd einen ganz realen Millionengewinn bei Fernseh-Jauch zuzuschanzen; dass das Geld schnell ausgegeben war, gehört dann wohl wieder zu den krummen Wegen des Lebens ...

Gerold Paul

Rena Braun, „Unter dem Himmel sind die Wege nicht gerade“, Books on Demand, Norderstedt 370 Seiten.

Gerold Paul D

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })