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Kultur: Das Leben in den Straßen
Die Ausstellung „Damaskus“ in der ae-Galerie zeigt das Leben in der syrischen Hauptstadt
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Damaskus misst die Zeit nicht nach Tagen, Monaten und Jahren, sondern nach den Reichen, die es hat erstarken, aufblühen und verfallen sehen. Es ist ein Urbild der Unsterblichkeit, hat Mark Twain einst geschrieben. Im Kontext der aktuellen Lage bekommt der Ausdruck dieser Unsterblichkeit besondere Bedeutung. Ist Damaskus wirklich unsterblich? Wird es bald verfallen? Wird es den Menschen irgendwann möglich sein, Damaskus zu neuem Leben zu erwecken?
Die Infrastruktur der Stadt jedenfalls scheint nicht unsterblich zu sein. Tempel verfallen, Fassaden bröckeln. Niemand, der sich um wichtige Gebäude der Stadt, die einst als Perle des Orients galt, kümmert, sagt die Galeristin Angelika Euchner. Sie selbst hat 2010 die syrische Hauptstadt Damaskus besucht und nun Bilder von fünf Künstlern, die die Stadt porträtieren, in ihrer Galerie vereint. Sie möchte vordergründig schöne Seiten der syrischen Stadt hervorheben, Augenblicke, verschiedene Facetten, das Alltagsleben der Menschen dort. Die meisten Aufnahmen sind in den Jahren 2006 bis 2011 entstanden. Betrachtet man diese Bilder, scheinen sie aus heutiger Sicht, fast wie aus einer anderen Zeit zu stammen. Wie geschichtliche Dokumente, die an eine frühere Ära erinnern sollen, die längst der Vergangenheit angehört. Glückliche Kinder in den Straßen, die spielen und unbeschwert lachend in die Kamera schauen. Menschen bei der Arbeit auf den Märkten, den Souks. Immer mit einem Lächeln im Gesicht. Farbenfroh, klar und den Betrachter stets fokussierend, so präsentieren sich die Menschen vor der Kamera des Dokumentarfotografen Dietmar Riemann.
Ganz anders die Schnappschussfotografien von Manuel Kaufmann, die eigentlich vergrößerte Polaroidbilder sind. Verschwommen, unklar, unscharf. Junge Männer, die im Taxi ein Plakat ihres Vorbilds al-Assads hängen haben.
Auch die Bilder von Kathi Sarue und dem Potsdamer Künstler Ernst J. Petras sind oftmals verschwommen. Wie auf einem Basar angeordnet, hängen die Aufnahmen an der Wand . Holzrahmen, Goldrahmen, Plastikrahmen, rahmenlos. Überbelichtet, unterbelichtet, verschwommen, unscharf. Stadtporträts. Momente. Der Auslöser wurde gedrückt, das Bild wurde gedruckt. Immer wieder mischen sich Plakate mit dem Konterfei von Präsident al-Assad ins Stadtbild. Die Damaszener setzen der traurigen Situation im Land ihren fröhlichen Blick entgegen. Er will sagen, dass es ihnen gut geht, dass sie sich mit ihrem Leben arrangiert haben. Hoffnungsvoll und zuversichtlich ist er, trotz der vielen Behelfssituationen in den schwierigen Lebensumständen.
Dass auch aktuelle Fotografien einer jungen Syrerin, Samara Sallam, in der Galerie hängen, freut Angelika Euchner sehr. Über die politische Situation im Land hinaus kann die Kunst bestehen. Ein wenig fühle sie sich dadurch wie ein Sprachrohr für die Syrier. Samara Sallam spiegelt sich und ihre jetzige Situation in ihren Bildern symbolhaft wider. Die schwarz-weiß-Fotografien, auf denen sie selbst zu sehen ist, deuten durch das Spiel mit Licht und Schatten ihre momentane Ausweglosigkeit an, ihre unklare Situation. Wo wird es hingehen, welche Richtung führt ins Licht? Klar ist, dass sich die Damaszener eine Stadt im Licht wünschen, doch unklar, verschwommen bleibt, wann es soweit ist. Denn Damaskus misst die Zeit nicht nach Tagen, Monaten und Jahren, sondern nach den Reichen, die es hat erstarken, aufblühen und verfallen sehen. Anna-Maria Kunath
Noch bis zum 15. Juli in der ae-Galerie, Hermann-Elflein-Straße 18, mittwochs und freitags 15 bis 19 Uhr und samstags 12 bis 16 Uhr
Anna-Maria Kunath
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