Kultur: „Das Lied von Bernadette“
Die Heilige von Lourdes in der „arche“
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„Wunder gibt es immer wieder“, heißt es in einem Schlager. In Preußen allerdings seit 500 Jahren nicht mehr, sagte „arche“-Chef Rainer Roczen ironisch. Wunder sind vermutlich eher „katholisch“. Jenes von Lourdes jährt sich derzeit zum 150. Mal, Grund genug, an das bis heute Massenwallfahrten auslösende Ereignis zu erinnern. Der gutbesuchte Abend in der „arche“ war klug bedacht, denn man verknüpfte die exemplarische Geschichte von Bernadette Soubirous direkt mit dem Schicksal des österreichisch-böhmischen Schriftstellers Franz Werfel, mit seinem Roman „Das Lied von Bernadette“. Lourdes steht bekanntlich für medizinische Wunder und „Visionen“ – 427 Mal hat sich hier die Muttergottes gezeigt, siebzig „Wunderheilungen“ sind vom Vatikan anerkannt. Der Berliner Theologe und Germanist Gerhard Höls, von Amts wegen Lehrer, hatte sich die Mühe gemacht, das umfangreiche Material dieser beiden Biographien kurzfristig aufzubereiten.
Als Bernadette 1844 zu Lourdes in ärmsten Verhältnissen geboren wurde, gab es die Wunderquelle noch nicht. Am 11. Februar 1858 hatte sie die erste Marienerscheinung nahe der Grotte Massabielle. Eine Frau von größter Schönheit erschien ihr, weißes Kleid, blauer Gürtel, Schleier, „auf jedem Fuß eine goldene Rose“, sagte sie später aus. Im Verlauf von siebzehn weiteren trug ihr „die weiße Dame im überirdischen Licht“ nicht nur auf, nach Wasser zu graben und eine Kapelle (die neue Kathedrale fasst 25 000 Pilger) bauen zu lassen, sie nannte nun auch ihren Namen: „Ich bin die unbefleckte Empfängnis“. Es spricht sich herum, doch selbst unter Achttausend sah nur sie die Erscheinung. Ihr Pfarrer Peyramale verlangt den Beweis, ein Rosenstock solle blühen, doch dieses blieb aus. Dafür gab es keine Brandwunde, als sie in eine Kerze griff. All dies wurde mit Akribie untersucht. Die Presse („kranke, hysterische Person“) verhöhnte sie, auch kirchliche Amtsträger waren dieses Marienwunders nicht sicher. Von 1866 bis zu ihrem Tod 1879 lebte Bernadette unter anderem Namen in einem Kloster mit dem Verbot, nie mehr über ihre Erlebnisse zu reden. Das Mobbing der Mitschwestern ertrug sie geduldig – Maria hatte versprochen, sie in jenem, nicht in diesem Leben „glücklich“ zu machen! 1925 wurde sie selig-, acht Jahre später heiliggesprochen. Ihr unverwester Leib ist im Kloster Nevers zu besichtigen. In einem Glassarg.
Lourdes wurde Wallfahrtsort für Millionen. Über siebentausend „bewiesene“ Heilungen, zweitausend haben die Ärzte („medizinisch ungeklärt“) respektiert. Dorthin floh Franz Werfel, jüdischer Herkunft mit starkem Drang zum Katholizismus, 1940 auf der Flucht vor den Nazis. Die Geschichte der Vierzehnjährigen beeindruckte ihn so, dass er gelobte, ein Buch über sie zu schreiben, wenn die Überfahrt in die USA glücke. 1941 war „Das Lied von Bernadette“ fertig. Fünf Bücher schrieb er nach Lourdes noch im Sinn des Heils. Er starb 1945 an einem Herzinfarkt.
Mit Wundern tut man sich auch heute (und überall!) schwer. Fragen Menschen nach der Glaubwürdigkeit eines solchen, so dieses nach der Glaub-Würdigkeit jedes Einzelnen. Der Referent Gerhard Höls meinte: „Wer glaubt, braucht keine Erklärung dazu. Wer aber nicht glaubt, für den gibt es keine Erklärung“.
Gerold Paul
Gerold Pau
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