Kultur: Das Rätsel um die goldene Kugel Erzählfestival „Zimt und Zunder“ im T-Werk
Trotz der Tatsache, dass der Tag lang war und die Augen immer wieder müde zufallen wollen, ist es nicht möglich, sich dem Sog der Geschichte zu entziehen, die der irische Erzähler Jack Lynch gegen 23 Uhr im Rahmen des ersten Erzählfestivals in Potsdam wort- und gestenreich auf die Bühne des gut besuchten T-Werks bringt. Von einem schüchternen jungen Mann ist die Rede, einem, der in jungen Jahren nicht den Mut hatte, ein Mädchen anzusprechen und der sich später für zu alt hält, um es doch noch zu tun.
Stand:
Trotz der Tatsache, dass der Tag lang war und die Augen immer wieder müde zufallen wollen, ist es nicht möglich, sich dem Sog der Geschichte zu entziehen, die der irische Erzähler Jack Lynch gegen 23 Uhr im Rahmen des ersten Erzählfestivals in Potsdam wort- und gestenreich auf die Bühne des gut besuchten T-Werks bringt. Von einem schüchternen jungen Mann ist die Rede, einem, der in jungen Jahren nicht den Mut hatte, ein Mädchen anzusprechen und der sich später für zu alt hält, um es doch noch zu tun.
Glücklich ist er trotzdem, vor allem, wenn er zum Pilzesammeln in den Wald geht. Dabei findet er eines Tages eine goldene Kugel, trägt sie nach Hause und versteckt sie in einem eingelassenen Loch neben dem Kamin – nun ist auch für das Alter vorgesorgt. Und dann trägt ihm das Schicksal plötzlich doch noch ein Mädchen ins Haus, ein hübsches Ding auf dem Weg nach Limmerick, wo es eine Anstellung antreten wird. Der Mann fragt nach dem zu erwartenden Verdienst, bietet ihr mehr und das Mädchen bleibt bei ihm. Die weibliche Hand im Haus bekommt ihm gut und er nimmt all seinen Mut zusammen und fragt, ob sie ihn heiraten will.
Wie die Antwort ausfällt? Dramatisch, niederschmetternd. Doch eine gute Geschichte ist nichts ohne ein gutes Ende. Und so löst der stattliche weißhaarige Erzähler Jack Lynch schließlich doch noch das Rätsel um die goldene Kugel und führt Mann und Mädchen zu einem glücklichen Ende. Die Zuhörer sind begeistert.
Das letzte Wort an diesem Abend, an dem es, ganz wie das Motto des Festivals „Zimt und Zunder“ es verspricht, überall im Hof des T-Werks nach Feuer und dem Gewürz duftet, hat allerdings die Organisatorin Suse Weisse. Die gebürtige Ostfriesin und nun Wahlpotsdamerin ist vor allem bekannt durch ihre theaterpädagogische Arbeit und ihre Kunst als Erzählerin. Suse Weisse beschließt mit ihrer Geschichte um ein armenisches Dorf und eine junge, gottesfürchtige aber sehr leidenschaftliche Pfarrersfrau einen irisch-deutschen Abend voller Dramatik, Mystik und Witz, angereichert mit traditionellem Stew, Mörhenmuffins, zünftigem Whisky und irischem Folk-Rock der Band „Seamen“.
Sie verabschiedet Ragnhild Morch, die das 1.Potsdamer Erzählfestival mit ihrer Geschichte um einen König und seine drei Töchter eröffnete und die vor allem durch ihre wunderbare Mimik und Gestik bestach. Hier und auch bei ihrer Nachfolgerin Claire M. Murphy, die von einem zyklopenhaften Wesen erzählte, das sich schließlich trotz aller Bemühungen nicht der Prophezeiung entziehen konnte, vom eigenen Enkel getötet zu werden, wurde deutlich, dass das sogenannte Storytelling eine Mischung aus Erzählen und Theater ist, in dem der Zuschauer ebenso seinen Part zu spielen hat wie der Erzählende selbst.
Freihändig, ohne Bühnenbild und fest einstudierte Rollen steht der sogenannte Storyteller vor seinem Publikum und möchte eine Botschaft weitergeben. An diesem Samstagabend ist sie definitiv angekommen. Die Zuschauer, die neugierig und angeregt alle drei Erzählrunden mitgemacht hatten und immer näher an die Bühne rückten, um tatsächlich in die Geschichten einzutauchen, werden sicher auch am Sonntag den Weg auf das T-Werkgelände gefunden haben, um sich erneut, in Bauwagen oder am Feuerkorb, mitnehmen zu lassen ins Land der Sagen und Märchen. Andrea Schneider
Andrea Schneider
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: