Kultur: Das richtige Konzert am falschen Ort
Micatone und Lisa Bassenge im Foyer des Nikolaisaals innerhalb der Reihe Party n:house
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Micatone und Lisa Bassenge im Foyer des Nikolaisaals innerhalb der Reihe Party n:house Ein kleiner, gemütlicher, rauchiger Jazzclub ist das Foyer des Nikolaisaals beim besten Willen nicht. Gegen die Konferenzsaalatmosphäre der Architektur kommen weder die wärmsten, noch die coolsten Klänge wirklich an. Entsprechend verunsichert sind die Berliner Musiker von Micatone, als sie die provisorische Bühne betreten und für ein Publikum spielen, das bis dicht an den Bühnenrand mit kleinen Kaffeehaustischen drapiert ist. Vielleicht liegt hier ja ein Irrtum vor, mutmaßt ein Gast und erkundigt sich, ob er im richtigen Raum Platz genommen habe. Die Bedenken lösen sich für ihn auf, als Lisa Bassenge und ihre Band zu spielen anfangen. Die erklingenden Sounds sind so soft, smoothig und jazzig, dass sich nicht nur der irritierte Besucher wohlig zurücklehnt. Wunderbar aufeinander eingespielt, begleiten die vier Musiker ihre Sängerin, die alle Register des klassischen Jazzgesangs zu ziehen weiß. Tröpfelnd, anschmiegsam und präzise artikuliert fügt sich der Gesang in den dichten Sound der Band. Vielleicht ein wenig zu präzise und gleichförmig. Micatone spielen keine Songs zum Mitpfeifen, trotzdem erinnert ihre Musik daran, dass Jazz wenigstens ein Elternteil des Pop ist. Die Zutaten kommen bei Micatone aus der Küche des Jazz, die Zubereitungsart orientiert sich am Pop. Nur die Inszenierung will im Foyer des Nikolaisaals nicht so recht aufgehen. Mit kühler Noblesse versucht Lisa Bassenge dem strengen Ambiente des Raumes gerecht zu werden. Dass ihrer Musik ein intimerer Rahmen angemessener wäre, wird dadurch nur noch deutlicher. Das Publikum an den voll besetzen Tischen kann die Atmosphäre viel besser ignorieren und zeigt sich begeistert von Micatone. Nach dem ersten Set schließt sich eine halbstündige Pause an, danach präsentieren die Musiker ein ganz anderes Gesicht. Mit drum&bass Anleihen gewürzt, grooven die Musiker los, in dem sichtlichen Bemühen, ihr Publikum mitzunehmen. Doch wagt es niemand, die Stühle wegzukicken, um dem Puls der Musik folgend mit dem ganzen Körper zu tanzen statt nur mit den Zehenspitzen. Leider ist nirgends eine Tanzfläche vorgesehen, obwohl das Konzert doch innerhalb der Partyreihe n:house stattfand. Der Applaus am Ende ist trotzdem euphorisch und wurde mit zwei Zugaben belohnt. Die eine „Quiet Boy“ erinnert, obwohl das Lied auf der neuen CD von Micatone zu hören ist, an die andere Band der Sängerin. Mit dem Lisa Bassenge Trio covert sie sich auf zwei CD durch einige Klassiker der Popmusik. Die klingen dann, ausgezogen und neu eingekleidet, in Arrangements aus Kontrabass und Piano, wie zeitlose Jazzstandards. Die ambitionierte Mischung aus Jazz im Popgewand namens Micatone überzeugt die Potsdamer. Ein schönes Konzert, nur eben am falschen Ort.Helen Thein
Helen Thein
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