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Kultur: Das Schicksal ist eine fiese Ratte

Balladenabend mit Götz Widmann im Lindenpark

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Donnerstagabend hat sich Götz Widmann einen lang ersehnten Wunsch erfüllt: „Seit 15 Jahren träume ich davon, mal einen leisen Abend zu machen – und heute mach ich das einfach!“ So ließ er sich auch nicht durch Zwischenrufe beirren – nein, heute kein „Holland“, erst recht kein „Hank“. Doch zunächst durfte der Nachwuchs ran, ein Duo namens „Simon und Jan“, das Widmann selbst geradezu hofierte. Und dass, obwohl er in dieser Hinsicht sehr kritisch ist, schließlich sei er selbst einmal Teil eines Duos gewesen. Eine Hommage an seine zweite Hälfte von „Joint Venture“: Sein Partner „Kleinti“ war 2000 unerwartet von einem Herzinfarkt dahingerafft worden. „Simon und Jan“ jedoch legten vielleicht ein wenig zu viel leidvolles Pathos in diesen Abend. Man hörte das Lagerfeuer förmlich knistern.

Widmann war die Routine anzumerken. Seine Bühnenpräsenz ließ ihn größer erscheinen, als er eigentlich ist, das charismatische tiefe Timbre seiner Stimme erfüllte den Saal bis in den letzten Winkel. Seine Schlagfertigkeit gegenüber dem Publikum war beeindruckend, jedes Lied begann mit einer pointierten Vorgeschichte. Dazu der Kontrast zu seinen tiefgründigen Balladen; Widmann ist ein geborener Unterhalter, dem die Gitarre allein nicht ausreicht, um sich mitzuteilen.

Und immer wieder die Rückkehr zu Balladen. So gelingt ihm eine intensive Pflege des Tragischen und der Depression. Widmanns Sujet sind die Gescheiterten. Mittendrin dieser aufwallende Optimismus, dieser Trotz. Er baut oft winzigen Pointen so geschickt ein, dass es regelmäßig zum Szenenapplaus kommt. Und dazu diese Selbstironie, diese Fixierung auf das Ich Widmann, diese zynischen Allegorien sowie diese verblüffenden Perspektivwechsel. Dennoch sind seine Lieder voller poetischer Kraft, ohne abgehobene Worte zu benutzen. Er verbindet das Lyrische mit dem Vulgären, ohne dabei auch nur ansatzweise peinlich zu sein.

So zeigt Widmann, dass man die Dinge auch anders sehen muss: dass schöne Frauen viel schlechter dran sind und dass der, der Blumen schenkt, eine Pflanze tötet, damit seine Angebetete ihr beim Verwelken zusehen kann. „Das Schicksal ist eine fiese Ratte.“ Und man weiß nicht, wie ernst er das meint. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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