
© Isolde Ohlbaum
Kultur: „Das Temperament ist noch da“
Elke Heidenrich, die morgen mit Bernd Schroeder aus „Alte Liebe“ liest, über Beziehungsprobleme
Stand:
Frau Heidenreich, Lore und Harry aus „Alte Liebe“, Ihrem gemeinsamen Buch mit Bernd Schroeder, haben mir Angst gemacht. 40 Jahre Ehe, und was bleibt ist Zank und Streit und Unglück?
Sie sind ja nicht wirklich unglücklich. Ich glaube, dass alle Paare, die Jahrzehnte zusammen sind, etwas an Feuer und Leidenschaft verlieren, weil sich das mit den Jahren abreibt.
Was das verlorene Feuer betrifft, da möchte ich Ihnen widersprechen. Denn die Dialoge von Lore und Harry haben es wirklich in sich.
Ja, das Temperament ist noch da. Das ändert sich auch nicht. Aber was bei Lore und Harry noch dazu kommt, ist das Problem einer missratenen Tochter, wie bei vielen 68ern. Die sind sehr antiautoritär und frei in ihre Ehen gegangen, ihre Kinder dagegen sind eher bieder oder kommen mit dem Leben nicht zurecht.
Abgesehen von dem Problemfall der Tochter Gloria, die nun zum dritten Mal heiraten will, was bei Lore und Harry zu herrlichen Auseinandersetzungen um den geplanten Besuch der Hochzeit führt. Kann es sein, dass die beiden sich und ihre Bedürfnisse, ihre Wünsche im alltäglichen Eheleben schon vor langer Zeit aus den Augen verloren haben?
Ja, das kann schon sein. Denn wenn jeder in seinem Beruf eingespannt ist und beide denken, wenn wir erst einmal pensioniert sind, machen wir es uns aber schön, verliert sich das Interesse am anderen. Lore und Harry planen ja noch ein schönes gemeinsames Alter. Nur wenn man das zu lange hinausschiebt, sind irgendwann alle diese Pläne hinfällig. Bernd Schroeder und ich haben schon vor 30 Jahren ein Fernsehspiel mit dem Titel „Ein halbes Leben“ geschrieben. Das hatte das selbe Thema wie in „Alte Liebe“, nur dass dieses Paar aus meiner Elterngeneration kam, vom Krieg zerstört und verbittert und die auch immer dachten, später wird es mal schön.
Wir sind also nicht davor gefeit, so sehr wir uns auch bemühen, die gleichen Fehler wie unsere Eltern zu machen?
Nein, das sind wir mit Sicherheit nicht. Aber eine Frau muss heute mit 60 oder 70 nicht alt sein. Da gibt es genug Beispiele. Aber damals, in „Ein halbes Leben“, trug eine Frau mit 60 Hütchen und Gesundheitsschuhe. Da hat sich viel verändert, was es auch schwerer macht. Denn obwohl wir uns noch jung fühlen, altern wir doch. Und all die Pläne, die wir uns für das Alter aufgehoben haben, lassen sich dann doch nicht verwirklichen. Darum müssen wir schon jetzt sagen: Diese Woche nehmen wir uns zwei Tage nur für uns. Wenn wir uns weiterhin damit vertrösten, dass wir das mit 65 ausgiebig machen, kann es plötzlich zu spät sein.
Also ist „Alte Liebe“ auch ein Plädoyer für das Spontane, für das Jetzt?
Genau, die Liebe auszuleben, wenn sie noch etwas jünger ist. Aber das Buch ist auch eine Bestandsaufnahme über die wirkliche Liebe. Denn egal wie viele Streitigkeiten es gibt, ein Rest von Respekt und Nähe bleibt immer übrig. Das ist irgendwie auch tröstlich.
Warum dieses gemeinsame Buch?
Bernd und ich waren viele Jahre verheiret, sind jetzt aber mittlerweile schon seit 15 Jahren geschieden. Für uns war damals klar, dass wir eine Trennung mit all dem Schmerz und den Tränen durchmachen müssen, trotzdem aber Freunde bleiben wollen. Das ist uns gelungen. Irgendwann haben wir dann bei einem Bier zusammen gesessen und festgestellt, dass es schön wäre, wieder etwas zusammen zu machen. Wir haben uns dann diese Geschichte ausgedacht und sie als E-mail-Roman geschrieben.
Die krachigen Dialog aber, die ja die Hälfte des Buches ausmachen, haben sie bestimmt zusammen erarbeitet.
Nein, das haben wir immer abwechselnd gemacht. Ich habe ein Kapitel mit Dialog geschrieben und das dann Bernd geschickt und umgekehrt. Im Vorfeld hatten wir nur geklärt, wie die Figuren heißen, wie alt sie sind, was sie machen, welche Lebensgeschichte sie haben und was wir erzählen wollen. Während des Schreibens haben wir nicht ein einziges Mal über das Buch geredet. Das war die Abmachung: Du überraschst mich mit einem Kapitel, ich dich mit dem nächsten.
Selbst das tragische Ende war nicht vorher geplant?
Nein, ich wusste nicht, wie die Geschichte ausgehen wird. Denn Bernd gehörte das letzte Kapitel. Und auch wenn es dem Leser so erscheint, an „Alte Liebe“ ist nichts Kalkül. Ich war während des Schreibens oft selbst überrascht, wie sich die Geschichte entwickelt, wie viel alltägliche Wahrheit darin steckt. Das erleben wir auch immer bei den Lesungen. Während der Monologe ist es immer sehr still, bei den Dialogen wird gelacht. Obwohl die gar nicht lustig sind, sondern grotesk.
Und sie entfalten ihre Wirkung erst nach mehrmaligem Lesen, weil da so viel hinter den Worten steht.
Noch besser ist es, wenn man sie hört, wenn die Dialoge laut vorgelesen werden.
Obwohl sie in „Alte Liebe“ mit Lore und Harry die Geschichte eines älteren Ehepaars erzählen, fühlt man sich auch als jüngerer Leser immer wieder ertappt, wenn bestimmte Verhaltensweisen in der Beziehung beschrieben werden, die man schon an sich selbst beobachtet hat.
Das hören wir auch oft nach den Lesungen, wenn Leute zu uns kommen und sagen, sie hätten das Gefühl gehabt, wir haben für die Geschichte von Lore und Harry in ihrer Küche gesessen und sie beobachtet. Ja, sagen wir dann immer, wir sind alle nichts Besonderes und haben die gleichen Probleme. Wir machen uns was vor, schüren Hoffnungen, wo eigentlich keine sind und streiten. Aber das zeigt „Alte Liebe“ auch. Wenn man sich lange kennt, sind die Streitigkeiten nicht mehr so schlimm. Ist man jung verliebt, ist jeder Streit ein Weltuntergang. Ist man dagegen schon lange zusammen, schreit man sich an, sagt: Du kannst mich jetzt wirklich mal kreuzweise, knallt die Tür und nach fünf Minuten fragt man: Soll ich jetzt Nudeln machen oder Kartoffeln?
Das Gespräch führte Dirk Becker
Elke Heidenreich und Bernd Schroeder lesen morgen um 19.30 Uhr aus „Alte Liebe“ im Hans Otto Theater. Restkarten unter Tel.: (0331) 98 1 18. „Alte Liebe“ ist im Carl Hanser Verlag erschienen und kostet 17, 90 Euro
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