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Kultur: Das Theaterleben – ein Wanderzirkus

Ulrike Schlue arbeitet gern mit den Kids vom Offenen Kunstverein / Heute ist wieder eine Premiere

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„Für die Schauspielerei hielt ich mich nicht für schön genug“, sagt Ulrike Schlue. Die kleine Frau mit dem roten Haar und dem wunderbar schrägen Blick lächelt, als sie das sagt. Deshalb kam sie über den Umweg des Soziologie-Studiums zum Theater. Sie war kurzsichtig, bis eine Operation ihr die Erlösung brachte. In ihrer Kindheit aber bemerkte man das nicht, weshalb sie sich ein gutes Gedächtnis antrainierte, um in der Schule bestehen zu können. Allerdings hielt man sie auch für ungeschickt, weil sie wegen ihrer schlechten Augen oft fiel. Sie besitzt eine offene, sehr klischeefreie Art, die wohl auch befreiend auf ihre Schützlinge wirkt.

Mit ihrem Mann wohnt sie auf einem Gelände im Wald in der Nähe von Petzow, und jeder Besucher wundert sich über die Ansammlung von Wohnwagen und Booten, und staunt, wenn er in den Fundus – ein ehemaliges LPG-Gebäude – geführt wird. Dort sind alle Schätze untergebracht, eine Kostüm- und Requisitensammlung, die ihresgleichen sucht, und Platz für Theaterproben gibt es auch. Geheiratet haben die beiden vor drei Jahren, sind aber schon seit den achtziger Jahren zusammen. Da war „Manne“, der Mann, der aussieht wie der deutsche Michel und einen halben Meter größer als seine Frau ist, der technische Allrounder beim Wandertheater, bei dem auch Ulrike Schlue war. Gegründet von Martin Lüttge, ein inzwischen sehr bekannter Schauspieler, tourte das Theater mit eigenem Zelt zwölf Jahre durch die Republik.

Die Basis des Theaters lag in Bayern, im Theaterhof Priessenthal, „aber da waren wir nur im Winter“, sagt sie und lacht wieder ihr ansteckendes Lachen. Ein bisschen haben sich die beiden das Wandertheatergefühl erhalten. Zwar stehen die Wohnwagen fest auf dem märkischen Grund, aber da ist noch viel von einem alternativen Lebensentwurf, den das Paar da in der Idylle realisiert. Die Gelsenkirchenerin studierte Sozialwissenschaften. Schon während des Studiums aber erkannte sie, dass sie doch lieber zum Theater gehen wollte – die Atmosphäre, die sie als Statistin im Gelsenkirchener Theater erlebt hatte – „der Umgang war so toll, die Leute umarmten und küssten sich“, das ließ sie einfach nicht mehr los. Aber zuerst studierte sie zu Ende, merkte jedoch, dass ihr das nicht reichen würde.

Geprägt von den 68er Ideen, reiste die 1950 Geborene erst mal nach Berlin. Aber 1975 war es „mir zu eng mit der Mauer“. Sie ging zurück ins Ruhrgebiet und übernahm die Leitung eines Jugendfreizeitheims. Sie gründete gleich eine Theatergruppe für Jugendliche, und bildete sich in Workshops weiter: in Richtung Körperarbeit und Schauspiel. Mit 26, als sie nun genau wusste, dass sie doch selbst spielen wollte, ging sie wieder nach Berlin. Sie hatte Glück und durfte beim Theater „Rote Grütze“ vorsprechen, das sie engagierte. Sie spielte unter anderem in „Was heißt hier Liebe“. Ihre ursprünglichen Schwächen hat Ulrike Schlue durch viel Optimismus und Liebe zum Leben einfach zu ihren Stärken gemacht, und von dieser Stärke gibt sie nun ganz viel weiter. 1990 war die letzte Tournee des Zelttheaters, nun war es an der Zeit, in den Osten zu gehen. Nachdem ihr Mann und sie das Wandertheater verlassen hatten, war da erst mal eine große Leere. Aber der Manne machte einen Spaziergang und entdeckte dabei das Terrain bei Glindow, so dass sie gleich wieder eine Aufgabe hatten. Da Ulrike Schlue voller Ideen steckt – sie ist Mitbegründerin des Theaters „Ton und Kirschen“ – und eine unerschöpfliche Energie hat, schrieb sie Features für den Hörfunk und kleine Theaterstücke. Aber dann lernte sie Sabine Raetsch vom Offenen Kunstverein kennen, stellte sich vor – und seit 1993 arbeitet sie in Potsdam mit verschiedenen jungen Theatergruppen. Die Aufführungen unter ihrer Leitung und der von Nikki Bernstein sind legendär. Die Arbeit macht ihr viel Spaß, und zu sehen, welche Fantasie die Kinder und Jugendlichen noch entwickeln können, sei einfach beglückend. Gerade wurden die „Nibelungen“ von der Gruppe Tarantula aufgeführt, und heute hat „Pandorama“ von Mad Mix Premiere. Außerdem steckt sie schon mitten in den Vorbereitungen für die Tage in Gottsdorf. Auch das ist inzwischen ein Geheimtipp unter Potsdamer Jugendlichen – und wer einmal dabei war, kommt immer wieder. Das ist sicher auch Ulrike Schlue zu verdanken.

Lore Bardens

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