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Pfingstliche Orgelmusik in Sankt Nikolai: Das Unfassbare klanglich fassen

Was hat es mit der Ausgießung des Heiligen Geistes am 50. Tag nach Ostern eigentlich auf sich?

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Was hat es mit der Ausgießung des Heiligen Geistes am 50. Tag nach Ostern eigentlich auf sich? „Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen, es grünten und blühten Feld und Wald; festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde“, so besang Goethe die säkulare Sicht auf jenes sakrale Ereignis. Ein wichtiges kirchliches Fest also, an dessen Vorabend ein Konzert mit Orgelmusik in der Potsdamer Nikolaikirche unter Leitung Björn O. Wiedes stattfand.

Anders als zu Ostern oder Weihnachten stand Wiede dabei passendes geistliches Notenmaterial nicht in Fülle zur Verfügung. Vielleicht war und ist den meisten Komponisten das Vorhaben, so etwas Ungreifbares wie eine göttliche Geistausgießung in Noten niederzuschreiben, einfach zu schwierig. Nur wenigen wie dem Franzosen Olivier Messiaen gelang es, den Geist dieses Ereignisses klanglich einzufangen. Also suchte der Organist nach Werken, „die vielfach vom Geist durchweht sind“. Manche Titelerläuterung half, daran zu glauben.

Dabei gibt der aus dem 9. Jahrhundert stammende lateinisch-gregorianische Hymnus „Veni creator spiritus“ – also: „Komm, Schöpfer, Heiliger Geist“ – eigentlich die Richtung vor. Er ist eines der wenigen Gebete in der Liturgie der Westkirche, die sich – sehr ungewöhnlich – direkt an den Heiligen Geist wenden. Er bildet gleichsam die Keimzelle aller tonsetzerischen Bemühungen, das Unfassbare klanglich zu fassen.

An diesem Nachmittag erklang er in einer Improvisation des im vorigen Jahrhundert wirkenden belgischen Komponisten und Gregorianik-Spezialisten Flor Peeters, die Björn O. Wiede an der Kreienbrinkschen Altarorgel in weichen Farben vortrug. Der celestaartigen Oberstimme gesellt er sanfte Zungenstimmen hinzu, die für den Eindruck von ätherisch Schwebendem sorgen.

Dass es bei der pfingstlichen Sinnsuche auch festlich und freudig, ja geradezu rauschhaft zugehen kann, bewies Wiede mit der Wiedergabe von Johann Sebastian Bachs Toccata und Fuge F-Dur BWV 540, die er mit hellen Stimmen und in ausgewogenen Registern wie ein die Sinne durchwehender Sturm artikulierte. Doch da waren die Grenzen der klanglichen Möglichkeiten auch erreicht.

Harmonisch eher spröde und archaisch wirkt dagegen die „Suite médiévale“ des Franzosen Jean Langlais, die gleichsam den Geist des mittelalterlichen Pfingstritus in gotischen Kathedralen heraufbeschwor. Das Prélude lebt von hell-dunklen Kontrasten, während es im „Tiento“, einem spanischen Instrumentalstück des 16. Jahrhunderts, eher pastellfarben zugeht. Blubbernde Bässe kontra lieblichem Diskant – das gab der „Meditation“ das gewisse Etwas.

Ganz pfingstsinnig zeigte sich der einen karolingischen Text ausdeutende Finalsatz „Acclamation“, der mit seinen akkordischen, dissonanzengespickten Klangballungen schließlich in die Heilig-Geist-Apotheose mündet. Nie kompakt, sondern mit strukturerhellender Klarheit spielt Wiede seine spätromantisch geprägte D-Dur-Toccata „Schmückt das Fest mit Maien“, bevor er mit der „Suite gothique“ von Léon Boëllmann dem stimmungsvollen Konzert den Höhepunkt setzt. „Musik, die den Hörer inspiriert und aufzeigt, was Heiliger Geist in ihm zu bewegen versteht“, so das Fazit des Organisten selbst. Peter Buske

Peter Buske

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