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Kultur: Das verflixte Eigenleben der Gerätschaften Katrine Ottosen und Lena Malmborg im Konzert

Professionalität sieht anders aus. Katrine Ottosen sitzt auf der Bühne der Schinkelhalle.

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Professionalität sieht anders aus. Katrine Ottosen sitzt auf der Bühne der Schinkelhalle. Auf dem Tisch vor ihr liegen mehrere Keyboards. Antiquarische Teile, die zwar ihre Tücken haben, aber nur diesen einmaligen, eigenwilligen Klang liefern. Eines davon, sie nennt es „bitter old man“, mit dem sie ihren Auftritt beginnen will, funktioniert nicht. Katrine Ottosen lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch nicht, als „bitter old man“ sich nach mehreren Versuchen noch immer stur stellt. Sie plaudert zwanglos mit dem Publikum, während das Keyboard vor ihr nur gelegentlich ein Knacken von sich gibt. Katrine Ottosen liebt diese Gerätschaften mit ihren verflixten Eigenleben. Und wohl nur deswegen gelingt es ihr, „bitter old man“ zu besänftigen. Der Kasten macht jetzt mit und ein wabernder Elektronikton füllt die gut besuchte Halle. Eine warme, leicht kratzige Melodie, unaufgeregt und von spröder Einfachheit. Über diese legt Katrine Ottosen ihre Stimme. Schon ist man gefangen in diesem wohligen Käfig der Melancholie und sitzt still auf seinem Stuhl wie ein staunendes Kind.

Am Donnerstag haben Katrine Ottosen aus Dänemark und Lena Malmborg aus Schweden in Potsdam ihre kurze „In Between The Days“-Tour durch Österreich und Deutschland beendet. Es wurde ein Abend der musikalischen Gegensätze. Auf der eine Seite Katrine Ottosen mit ihren minimalistischen Liedgeschichten, auf der anderen Lena Malmborg mit ihren drei Musikern und einer leichtfüßigen Mischung aus Country und Pop. Was diese Gegensätze verband, war das Außergewöhnliche der beiden Stimmen.

Zuerst Katrine Ottosen, abonniert auf traurige Liebeslieder, die in den künstlichen Sound ihrer Keyboards gehüllt und nicht selten schleppend langsam durch das Dunkel im Saal ziehen. Ihr einfaches Spiel, reduziert auf das Notwendigste, erinnert ein wenig an „Dummy“, dem Debütalbum von Portishead. Das Verspielte in ihren Liedern ist eine arg gezügelte Version der ausufernden Verrücktheiten von CocoRosie. Über diesen nicht selten düster angehauchten Melodien schwebt ihre klare, gelegentlich kindlich anmutende Stimme wie ein farbenfroher Schmetterling über grauem Schotter. Und wer glaubt, in Sachen Liebeslieder sei alles schon gesagt und gesungen, der muss nur Katrine Ottosen hören, wenn sie gesteht: „The best version of me/is in your arms/you see“, um eines Besseren belehrt zu werden.

Mit Lena Malmborg und ihre dreiköpfigen Band kommt die Leichtigkeit zurück. Viel Rücksicht wird dabei auf die gerade mit Katrine Ottosen lieb gewonnene Lethargie nicht genommen. Die Liebe bleibt Thema, doch wird ihr jetzt mehr Dur gegönnt. Die zurückliegenden Konzerte haben Spuren auf Lena Malmborgs Stimme hinterlassen. Doch das betont Kratzige empfindet man nicht als störend, es macht hier sogar den besonderen Reiz aus. Und während man sich an ihr treibendes Spiel auf der Akustikgitarre, an die Ausgelassenheit der Band gewöhnt, wird schon das letzte Lied verkündet. Eine Zugabe noch, dann der ungläubige Blick auf die Uhr. Drei Stunden sind unbemerkt vergangen. Aber ein besseres Kriterium für ein gutes Konzert gibt es nicht. Dirk Becker

Dirk Becker

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