
© Nikolaj Lund
Interview mit Frauke Roth: „Das zu erleben war ein großes Glück“
Frauke Roth leitete die Kammerakademie Potsdam von Anfang an. Jetzt wird sie Intendantin in Dresden - als erste Frau in der Geschichte der Dresdner Philharmoniker.
Stand:
Frau Roth, was hat Dresden, was Potsdam nicht hat?
Es ist für mich kein Thema, dass die eine Stadt etwas hat, was die andere nicht hat. Ich sehe den Wechsel nach Dresden als eine Entwicklungsmöglichkeit für mich. Ich war lange in Potsdam und war hier wirklich zu Hause. Ich war hier glücklich und muss auch sagen, dass die Arbeit mir vom ersten Tag an bis jetzt Spaß gemacht hat. Das heißt nicht, dass sie ohne Hürden war, und auch nicht, dass ich mit allem zufrieden gewesen bin. Aber ich finde, dass die Kammerakademie sich enorm entwickelt hat, und ich freue mich, dass ich ein Teil davon sein konnte.
Also bedeutet für Sie die Übernahme der Intendanz der Dresdner Philharmonie eine neue und vor allem größere Herausforderung?
Ja, Dresden ist die größere Stadt, und Kultur spielt dort sicherlich auch noch in einer anderen Weise eine große Rolle. Ich habe es in Dresden mit einem herausragenden Symphonieorchester zu tun und mit der Neugestaltung eines Konzertsaals. Das ist eine Herausforderung, die mich reizt.
Was hat den Ausschlag für diesen Wechsel gegeben? Haben Sie selbst erkannt, dass es Zeit für eine Veränderung wurde?
Es ist bei mir immer so, dass da einiges zusammenkommt. Ich kenne Menschen, die Karrieren planen und Schritt für Schritt vollziehen. So bin ich nicht. Ich hatte diese Bereitschaft für einen Wechsel aber schon gespürt. Als dann die Stelle in Dresden ausgeschrieben wurde und der Chefdirigent der Dresdner Philharmonie, Michael Sanderling, mich fragte, ob ich mir nicht vorstellen könnte, mich zu bewerben, habe ich nicht lange gezögert.
Mit Michael Sanderling haben Sie schon zusammengearbeitet, als er von 2006 bis 2010 Chefdirigent und künstlerischer Leiter der Kammerakademie Potsdam war. Hat diese Erfahrung auch Einfluss auf Ihre Bewerbung gehabt?
Gerade auch als Chefin kann man viele Sachen nicht alleine bewerkstelligen. Wenn man keine starken Allianzen hat, fachlich, aber darüber hinaus auch menschlich, dann wird es dünn. Denn es gibt bei jeder Stelle mit Verantwortung auch Klippen, es gibt immer Entscheidungen, die zu fällen sind, bei denen man sich gerne abstimmt und einfach ein ehrliches Feedback braucht. Es macht für mich die Arbeit in Dresden wesentlich einfacher, dass ich in Michael Sanderling auf eine solche vertraute und geschätzte Person treffe.
Was erwartet Sie jetzt in Dresden?
Bis zum 31. Dezember bin ich im Vorbereitungsvertrag, das heißt, ich bin in der Situation, Dresden kennen und schätzen lernen zu können, Antrittsbesuche zu machen und mich auszutauschen. Gleichzeitig informiere ich mich auch über die Spezifik des Orchesters, und freue mich darauf, Konzerte zu besuchen, Gespräche zu führen und viel zu lesen.
Sind Sie bei den Dresdner Philharmonikern auch schon in die Programmplanung involviert?
Ja, ich bereite die Konzertsaison 2015/16 vor, deren Programm im Frühjahr des kommenden Jahres veröffentlicht wird. Das sind in Dresden allein über 130 Konzerte, dazu kommt die umfangreiche Tourneetätigkeit. Und es gehört auch zu meinen Aufgaben als designierte Intendantin, das Bespielungskonzept für den neuen Saal im Kulturpalast vorzubereiten. Dieser Saal entsteht in der alten Hülle des Kulturpalasts neben der Frauenkirche, der aber zurzeit vollständig entkernt ist. Ein erstklassiger neuer Konzertsaal mit 1800 Plätzen wird darin gebaut, der in der ersten Jahreshälfte 2017 eröffnet werden soll. Das ist ein sehr spannender Prozess mit enorm viel Gestaltungsspielraum – verbunden mit einer großen Verantwortung.
Für die Dresdner Philharmonie planen Sie über 130 Konzerte in einer Saison. Bei der Kammerakademie waren das erheblich weniger.
Das ist richtig. In Dresden ist die ganze Struktur des Orchesters und auch der Repertoireschwerpunkt anders. Bereits einmal als Geschäftsführerin verantwortlich für eine GmbH gewesen zu sein, war eine wichtige Erfahrung.
Die Jahre mit der Kammerakademie haben Sie stark kammermusikalisch geprägt. Nehmen Sie das als Impuls nach Dresden mit, um das große Orchester anzuregen, auch in kleineren Formationen zu spielen?
Ja, das liegt in Dresden auch auf der Hand. Die Schlosskapelle wird jetzt wieder bespielt und bietet für kleinere Besetzungen neben dem Schloss Albrechtsberg ein weiteres Forum. Ich weiß, dass die Kammermusik auf ein großes Interesse bei den Musikerinnen und Musikern stößt, die natürlich zuerst Dresdner Philharmoniker sind, oft aber auch in kleineren Formationen spielen.
Wenn Sie Potsdam und Dresden hinsichtlich des Publikums vergleichen, können Sie da in Dresden auf ein größeres Stammpublikum zählen?
Ich glaube, dass das Publikum in Dresden ein ganz großes Gut ist. Ich muss wirklich sagen, dass ich positiv überrascht bin, mit welcher Ernsthaftigkeit Programmhefte studiert werden, mit welcher hohen Sachkenntnis sie kommentiert werden, in welcher großen Zahl und mit welcher Bereitschaft in die Konzerte gegangen wird. Neben Berlin und München ist Dresden die Kulturmetropole schlechthin, hat eine große Tradition und ein sehr kulturaffines Publikum.
Mit einem Abschied verbindet sich immer auch eine Rückschau. Was waren die Höhepunkte in Ihrer Zeit mit der Kammerakademie?
Natürlich die Gründung am 4. Oktober 2000. Dann die erste Spielzeit 2001/2002 und die ganz intensive Begegnung mit Sergio Azzolini, der als künstlerischer Leiter unter den schwierigen Umständen der Fusion die Kammerakademie zu einem wirklichen Ensemble gemacht hat. Mit seiner einfach unbestechlichen künstlerischen Kompetenz und Ausstrahlung hat Sergio Azzolini alle Musiker und Musikerinnen vereint. Das zu erleben war ein großes Glück. Dann natürlich die Zeit mit Michael Sanderling, der das Ensemble zu einem richtigen Orchester geformt hat. Und nun seit 2010 die Zusammenarbeit mit Antonello Manacorda, unter dem die Kammerakademie zu einer neuen Hochform gereift ist. Das Orchester hat eine Reihe von ausnahmslos positiv bewerteten CDs bei internationalen Labels produziert, spielt regelmäßig mit großen Solisten zusammen und hat mit der Potsdamer Winteroper etwas Besonderes für diese Stadt geschaffen. Und wie eine Art Krönung war für uns alle unser Beethoven-Marathon im Februar 2014, wo wir alle neun Sinfonien an vier Tagen gespielt haben.
Trotz dieser Entwicklung und der Erfolge haben Sie all die Jahre mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt – weil die öffentliche Förderung immer recht bescheiden blieb. Hat Sie das mit der Zeit vielleicht auch ein bisschen müde gemacht?
Ja, das ist schon ein Punkt. Und dann sind wir ganz schnell bei dem Thema Selbstausbeutung, die nicht ohne Spuren bei unseren Musikern und Mitarbeiterinnen geblieben ist. Ihnen gebührt hohe Anerkennung dafür, dass sie trotz dieser Umstände so viel leisten. Ich bin froh, dass ich bei der Dresdner Philharmonie ebenfalls auf eine sehr hohe Leistungsbereitschaft stoße und dass dieses traditionsreiche Orchester fest in der Stadt verankert ist. Das erleichtert meine Arbeit erheblich und bietet mehr Möglichkeiten im künstlerischen Bereich.
Welche Rolle wird die Kammerakademie in Zukunft noch für Sie spielen?
Ich bin sicher, dass viele Freundschaften bestehen bleiben werden. Allerdings ist es so, dass ich schon über ein halbes Jahr weiß, dass ich weggehe, und dass der Wechsel jetzt wirklich vollzogen werden muss. Mit Alexander Hollensteiner übernimmt ein neuer Geschäftsführer das Ruder und es ist gut, wenn ich dann weit in den Hintergrund trete. Aber natürlich freue ich mich, wenn ich eine Einladung zur Saisoneröffnung oder zur Winteroper bekomme. Da komme ich dann gerne. Darüber hinaus gibt es schon seit Jahren eine enge Verbindung der Kammerakademie nach Dresden durch Auftritte mit dem Kreuzchor und Konzerte in der Frauenkirche, die ich sicherlich besuchen werde.
Das Gespräch führte Dirk Becker
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