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Kultur: Den Kehraus verpasst Zungenbrecher mit der „Schwarzen Grütze“

Vorbei die Zeit, als es galt, „NiveauwonieNiveauwar“ unter die Leute zu bringen. Auch ihren „Bühnenarrest“ hat das Musikkabarett „Schwarze Grütze“ längst abgesessen.

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Vorbei die Zeit, als es galt, „NiveauwonieNiveauwar“ unter die Leute zu bringen. Auch ihren „Bühnenarrest“ hat das Musikkabarett „Schwarze Grütze“ längst abgesessen. Nun hat ein neuer Zungenbrecher die spaß- und bildungswütige Menge erreicht. Am Freitag präsentierten Stefan Klucke und Dirk Pursche in der ausverkauften Waschhaus-Arena ihr neues Programm mit dem Titel „TabularasaTrotzTohuwabohu“, da wusste jeder sofort, was zu erwarten war, besonders das zahlreich erschienene Stammpublikum: Kein Ge-Wulffe oder Ge-Gaucke also, sondern etwas Besseres: das wahre Leben!

Und sie versprachen, dass nach zwei Stunden Netto-Spielzeit „keiner dümmer herausgehen wird, als er hereinkam.“ Das war ein verdammt hoher Anspruch, trotzdem wurde er eingelöst. „Tohuwabohu“ bezeichnet nach dem 1. Buch Mose eigentlich den Zustand „wüst und leer“, wird aber auch für Durcheinander und Chaos gebraucht, „tabula rasa“ ist „reinen Tisch machen“. Von Klavier, Konzert- und Bassgitarre so kraft- wie wirkungsvoll begleitet, befasste sich der erste Teil des Abends mit einer Inventur aller verfügbaren Wirrnisse in Kopf & Gesellschaft: Geht es um Geld, so nutze man eBay, irgendeiner wird schon kaufen – egal ob „die Urne deiner Mutter und die Leiche deiner Frau“, notfalls sogar Griechenland.

Es gab viel Selbstgemachtes im Programm. Durch Raum und Zeit zogen sich Dirk Pursches witzige Berichte über das Wiederauffüllen der kopfenden Leere durch seinen geliebten Guru: Dieser half ihm, alle Aggressionen und Triebe abzubauen, bis er als „Heißluftballon“ ins Schweben kam. Freilich rutschte ihm in der Extase dann doch statt „Heißluft-Ballon“ ein „Heißluft-Kondom“ heraus. Kann ja mal passieren im „Eifer des Gemächts“.

Die Menge tobte – das 1995 gegründete Duo hatte sein Publikum mal wieder fest im Griff. Nach der Pause wurde es trotz des extremen Gebrauchs von Körper, Stimme und Instrumenten etwas dünn im Ablauf. Zum Auffüllen der Zeit alberte, blödelte, schüttelte und rüttelte man an sauarmen Reimen herum, wie schon bei „Bühnenarrest“. Treue also im Gemisch aus Comedy und Schwarzhumorigkeit, allerdings auf hohem Niveau. Wer hat denn schon einen so freundlichen Sprach- und Sprech-Genius wie Dirk Pursche oder ein so voluminöses Bariton-Tremolo wie Stefan Klucke! Fragt sich nur, wofür das angesichts des heraufziehenden Unheils gut ist. Natürlich kann man die westliche „Musiküberwachung“ mit der Ost-Stasi vergleichen, die Kohl-Ära mit „Chol-Era“, oder den Staat nach dem Spruch „Das Befolgen von Gesetzen ist besser als die Messer wetzen“ endgültig ruinieren. Fortan also keine Extras mehr. Besser noch, man ließe sich en vogue gleich das Gehirn aussaugen, sicher ist sicher. Hübsche Sprüche, allerdings war das Ganze wieder zu sehr auf die Gunst des Publikums ausgerichtet, und damit der Kehraus verpasst, welchen der Titel ja letztlich impliziert. Dabei können die beiden garantiert das Doppelte von dem, was sie gezeigt haben. Sie trauen sich bloß nicht, blieben also im Lachen stecken. Ein wunderbares Programm für alle, die sich einfach mal schwarzlachen möchten. Gerold Paul

Gerold Paul

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