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Welche verbale Gemeinheit heckt er wohl nun schon wieder aus? Katharina Thalbach als der Alte Fritz.

©  rbb/Tom Schulze/DOKfilm/dapd

Kultur: Den König erzählen

Wenn Mutter und Tochter Friedrich spielen: Das Doku-Drama „Friedrich. Ein deutscher König“

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Er überrascht einen dann doch noch, der Alte Fritz. In den pointierten, zugespitzten und dabei manchmal fast beiläufigen Momenten, in denen wir ihn derzeit erleben können. Und dass er einen noch überrascht, zumindest in den unterschiedlichen Sichtweisen und Interpretationen in diesem, dem Jubeljahr seines 300. Geburtstages, beruhigt einen, stimmt sogar hoffnungsvoll, weil sich die Stimmen ja mehren, die schon jetzt, im Januar, darüber klagen, dass sie Friedrich II. nicht mehr sehen oder gar etwas über ihn hören wollen. Doch es lohnt sich, auch wegen des Überdrusses, genauer hinzuschauen, hinzuhören, wie bei dem Film „Friedrich. Ein deutscher König“, der am Donnerstagabend im Filmmuseum der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Die Perspektive, die das Doku-Drama in der Regie von Jan Peter gewählt hat, ist eine beliebte in diesem Jubiläumsjahr. Wie in „Fritz! Ein Theaterspiel für den König von Preußen“, das am kommenden Donnerstag im Hans Otto Theater uraufgeführt wird, blickt auch in „Friedrich. Ein deutscher König“ ein betagter Monarch auf sein Leben zurück.

Im Frühjahr 1763, nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges, ist Friedrich II. in einer Kutsche auf dem Weg nach Berlin unterwegs. Ein kleiner, kranker und verbitterter Mann, der nur selten Momente von Menschlichkeit und Milde zulässt. Im Schloss Charlottenburg bereitet sich Friedrichs Ehefrau, Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern, auf die Ankunft ihres Mannes vor, den sie sieben Jahre lang nicht gesehen hat. Mit welcher Mühe und Hingabe sie sich hier herausputzt, ein atemberaubendes Dekolleté zusammenschnürt und geduldig wartet, nach all den Demütigungen durch Friedrich, das ist schon erschütternd. Denn man ahnt ja, dass der alte König wenig Begeisterung für dieses Herausgeputze zeigen wird. Als er dann spätnachts endlich eintrifft, weil er keine jubelnden Menschen auf den Straßen sehen wollte, und sein Schloss betritt, wo eine so naiv-ängstliche, naiv-erwartungsvolle Elisabeth Christine steht, hat er nur einen langen, müden Blick und vier Worte für sie übrig. 

„Madame sind korpulent geworden.“

Friedrich, das „alte Ekel“, der Misanthrop in Höchstform. Was für den nicht neu ist, der schon einmal eine Biografie über den bekannten Preußenkönig oder vielleicht sogar Schriften von Zeitzeugen oder die von Friedrich selbst gelesen hat. Trotzdem überrascht diese Szene. Die Heftigkeit, die mit diesen vier Worten förmlich explodiert, obwohl Katharina Thalbach in der Rolle des alten Fritz diese fast leise spricht. Auch wenn die Verachtung, Boshaftigkeit und Resignation, die dabei mitschwingen nur Nuancen bleiben, wiegen sie doch umso schwerer. Die verheerende Niederlage, die diese Worte im Inneren von Elisabeth Christine, gespielt von Valerie Koch, anrichten müssen, die in diesem Moment nur mühsam die Fassade wahren kann und in deren Gesicht sich widerspiegelt, was da gerade alles in ihr zusammenbricht. Es sind diese Momente, die „Friedrich. Ein deutscher König“ zu einem besonderen Film machen. Obwohl er nichts Neues über den Preußenkönig zu berichten weiß, und das auch nicht will.

Dieses Doku-Drama erzählt den König im Bekannten, der in seinem Jubiläumsjahr immer wieder gern als der berühmteste Herrscher in der deutschen Geschichte bezeichnet wird. Von der Jugend des Kronprinzen unter der Fuchtel seines jähzornigen und so brutalen Vaters Friedrich Wilhelm I., der den musisch begabten und so eigenwilligen Jungen zum schneidigen Soldaten prügeln will. Der Fluchtversuch im August 1730, die Festungshaft in Küstrin und die Hinrichtung seines Freundes Hans Hermann von Katte. Die Jahre der Anpassung und dann, im Jahr 1740, nach dem Tod seines Vaters, die Thronbesteigung – „Friedrich. Ein deutscher König“ will diesen Herrscher einer breiten Öffentlichkeit näherbringen. Das Filmisch-Erzählende wird durch kurze, einordnende Kommentare der Historiker Christopher Clark, Hartmut Dorgerloh und Monica Kurzel-Runtscheiner ergänzt. Scheinbare Brüche im Leben Friedrichs, wie seine Entscheidung zum Krieg, nur wenige Monate nach dem er zum König gekrönt wurde, werden keinen großen Erklärungsversuchen unterworfen und bleiben bewusst rätselhaft, wie Regisseur Jan Peter im anschließenden Gespräch sagte. Wer hier mehr wissen will, der muss zu der umfangreichen Literatur zu Friedrich greifen.

Dieser Film ist eine Einstimmung, die vor allem durch das Spiel von Mutter und Tochter Thalbach so besonders wird. Anna Thalbach als Kronprinz und junger König, Katharina Thalbach als gesetzter und sarkastischer Herrscher in seinen berühmten Tafelrunden in Sanssouci und als desillusionierter Monarch, als menschliches Wrack am Ende des Siebenjährigen Krieges. Von Größe, die ihm durch seinen ewigen Beinamen eingebrannt ist, ist im ganzen Film nichts zu spüren. Ein Aspekt, der einem erst nach Ende der gut 90 Minuten bewusst wird und dann auch zu den angenehmen Überraschungen von „Friedrich. Ein deutscher König“ gehört. Und dass da ausgerechnet zwei Frauen die Rolle des Königs übernommen haben, verwundert nicht, irritiert auch nicht, wenn man die Thalbachs erst einmal hat spielen sehen.

Im Gegensatz zu ihrer Mutter, die von Geschichte regelrecht infiziert ist, hat sich Anna Thalbach vor allem über das Drehbuch und Gesprächen mit ihrer Mutter der Zeit und Person Friedrichs genähert. „Das spart das Geld für die vielen Fachbücher“, sagte sie trocken. Den Kronprinzen zu spielen, sei ihr leichtgefallen, denn sie habe ihn „gefühlt“. Eine Sicht, eine Annäherung an diesen König, die dann auch noch überrascht.

Am heutigen Samstag um 20.15 Uhr auf Arte und am Montag, dem 16. Januar um 22.45 Uhr in der ARD. „Friedrich. Ein deutscher König“ ist auch als DVD erhältlich und kostet 15,99 Euro

Dirk Becker

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