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Kultur: Den Tod im Blick

Mahlers „ Für die Ewigkeit“ bei der Vocalise

Stand:

Nirgendwo sonst liegen bei Mahler ergreifende Schlichtheit, frommes Grundvertrauen und kaltes Grausen musikalisch so dicht beisammen wie in den „Kindertotenliedern“. Am morgigen Donnerstag um 19.30 Uhr werden sie in einer Aufführung des Neuen Kammerorchesters Potsdam unter Leitung von Ud Joffe im zweiten Sinfoniekonzert in der Erlöserkirche zu hören sein. Eingebettet in das Festival „Vocalise“ ist das Konzert ganz dem Orchesterlied von Gustav Mahler gewidmet, dessen 100. Todestag dieses Jahr zu begehen ist. Neben dem Zyklus „Kindertotenlieder“ steht das „Lied von der Erde“ auf dem Programm. Bei keinem Komponisten sind Lied und Symphonie so eng verwandt wie bei Mahler. Im „Lied von der Erde“ werden sie ganz eins. Im Untertitel bezeichnet Mahler diesen Liedzyklus auch als „eine Symphonie für Tenor und Alt- (oder Bariton-) Stimme und Orchester“.

Im Sommer 1901 schrieb der Komponist drei Lieder des späteren Zyklus. Nach einem Blutsturz hatte Mahler dem Tod selbst ins Auge geblickt. Dies hatte ihn verändert und in fast allen Kompositionen des Sommers 1901 ist die Auseinandersetzung mit dem Tod spürbar. Drei Jahre später vervollständigte er den Zyklus. Inzwischen war Mahler glücklich verheiratet und Vater zweier Töchter. Seine Frau war entsetzt über das Werk: „Um Gottes willen, du malst den Teufel an die Wand!“

Die Ängste Alma Mahlers schienen sich 1907 auf tragische Weise zu bestätigen: Im Alter von vier Jahren starb die älteste Tochter an Diphtherie. Gustav Mahler kam über diesen Verlust nie hinweg. Er selbst bekannte, dass sein Leben darüber aus den Fugen geraten sei. Er flüchtete sich in Arbeit, versuchte sein Leid in der Musik zu verarbeiten – das „Lied von der Erde“ entstand. Dem Freund Bruno Walter schrieb er: „Ich glaube, dass es wohl das Persönlichste ist, was ich bis jetzt gemacht habe.“ Doch wird der Komponist dieses persönlichste Werk nie hören. Als am 20. November 1911 die Uraufführung in München unter der Leitung von Bruno Walter stattfand, ist Gustav Mahler bereits ein halbes Jahr tot. Das Wissen um den nahen Tod entfesselte bei Mahler noch einmal unglaubliche Kreativität; selbst sagte er: „Ich denke voraus. Was ich jetzt schaffe, sind Erlebnisse von morgen.“ Die Zeit wird angehalten und das letzte „Ewig! Ewig!“ des Finalsatzes könnte wahrhaft ewig weiter klingen; es findet nicht zum Grundton C zurück. Alles bleibt offen. Das klassische Harmoniegebäude war nicht mehr zu schließen. Die Musik, am Ende „gänzlich ersterbend“, setzt sich gleichsam in der Stille fort. sei

17. November, 19.30 Uhr, Erlöserkirche. Karten 15/ermäßigt 10 Euro an den Vorverkaufskassen und an der Abendkasse

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