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Kultur: Denkmal und Dankmal

Alexandrowka: Salon-Abend mit Steffen Reiche im Museum der Russischen Kolonie

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Alexandrowka: Salon-Abend mit Steffen Reiche im Museum der Russischen Kolonie Von Matthias Hassenpflug Im Hof des Hauses zwei im „russischen Dörfchen“ prasseln die Holzscheite im Terrassenkamin. Die ersten der zwanzig Gäste, die am Mittwoch auf Einladung der relativ neuen Potsdamer Kulturinitiative "Salon e. V." den Weg in das zukünftige Museumshaus der Alexandrowka gefunden haben, wärmen sich mit Blick auf das russische Spezialitäten versprechende Buffet am offenen Feuer. Es ist die vierte Veranstaltung des Vereins, der durch Salons an wechselnden Orten Potsdamer Kultur fördern und – möglichst mit vielen Multipliktoren – diskutieren möchte. Noch vor der Eröffnung am 20. Januar gewährte die private Stiftung Kremer, der die aufwändige Restaurierung und das sehenswerte und informative Museum im Untergeschoss zu danken ist, dem Verein Gastrecht. Steffen Reiche, bis vor kurzem noch Bildungsminister, bekannt als versierter Redner und Vorleser, war eingeladen, über das „Leben im Denkmal“ zu referieren, bevor man über die Bedeutung privater Stiftungen für den Denkmalschutz und für den hiesigen Kulturstandort in die Diskussion gehen wollte. Dem SPD-Spitzenpolitiker, von Hause Theologe, gelang in seinem mit Leidenschaft gehaltenen Vortrag, die historische Entwicklung und Bedeutung der Kolonie Alexandrowka sehr lebhaft darzustellen. Im Mittelpunkt von Reiches Überlegungen stand dabei der Gedanke, die nach Plänen von Peter-Josef Lenné 1826/27 erbauten insgesamt 14 Koloniehäuser wären ursprünglich schon als Denkmal zur Bekräftigung der Freundschaft zwischen Preußen und Rußland erbaut worden. Sie waren nicht – wie landläufig angenommen – als urige, exotische Behausung für die in Preußen verbliebenen russischen Chorsänger geplant gewesen. Friedrich-Wilhelm III., in enger Zuneigung zum zuvor verstorbenen Zar Alexander, habe ein volkstümliches Denkmal errichten wollen, das den Dank Preußens durch den großzügigen Beistand Rußlands, der ihm während des napoleonischen Krieges gewährt wurde, zum Ausdruck bringen sollte. „Ein Denkmal und Dankmal zugleich“, so der Ex-Minister. Der Wandel der Wahrnehmung der Russischen Kolonie liefe, so Reiche, mit dem Wandel der Beziehungen zu Rußland einher und beschreibe also auch eine Geschichte der Entfremdung zweier wichtiger europäischer Staaten. Wie zur Entstehungszeit der preußische und der russische Regent in den Zentren des als Ellipse angelegten Hippodroms zu stehen scheinen, so könne die Alexandrowka heute abermals als freundschaftliches Symbol dienen, wenn „Vladimir und Gerd“ nach Potsdam kämen, so Reiche, der für seine Partei unter anderen auch das Amt des Beauftragten für Europaangelegenheiten wahrnimmt. Wieviel Geld, Energie und Wissen in dem akribisch wieder hergestellten Museumshaus stecken, ließ sich nach der vom Gastronomen Maximilian Dreier moderierten Gespräch im Anschluß erfahren. Der Architekt Thomas Sander erforschte in Potsdamer Archiven die Sozialgeschichte des seit mehr als 175 Jahre bewohnten Ensembles. Er berichtete über die Probleme, auf den kleinen Grundstücken eine Kuh über den Winter zu bringen und von den Apfelbäumen aus Lenné ´scher Züchtung, die für den schlechten Boden zu zart waren. Matthias Kremer, Sohn des Stifters und Museumsleiter, übte sich in Bescheidenheit. Die Zusammenarbeit mit der Stadt, vor allem dem Denkmalschutz und dem Grünflächenamt, wäre gut und kontinuierlich. Obwohl manch einer im Publikum wohl auch hier die für die Stadt nun schon notorisch gewordene Politik-Schelte erwartete, blieb sie von dieser engagierten Stifterseite aus. Eine hitzige Diskussion über Kulturpolitik blieb also – zumindest im Plenum – auch bei diesem Salon der Kulturinitiative aus. Draußen warteten Tee, Punsch, Pelmeni und Borschtsch. Ein wenig Hinterzimmernetworking wird sicher auch betrieben worden sein.

Matthias Hassenpflug

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