Kultur: Der alte Mann und das Wort
Christian Brückner las Bukowski im Waschhaus
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Christian Brückner las Bukowski im Waschhaus Mit Charles Bukowski ist es im Grunde ganz einfach. Für die einen ist er das schreibende Raubein, das mit grob gehauenen Zeilen hinterhältige und punktgenaue Treffer landen konnte wie ein Boxer. Und der mit seiner spröden Lyrik dem Leben am Rande der Gosse eine eigentümliche Farbe und Wärme verlieh. Für die anderen ist er nur das versoffene, sexbesessene Dreckschwein gewesen, der furchtbare, ja regelrecht pornographische Gedichte schrieb, die nicht gedruckt, sondern verboten gehören. Wer Bukowski liest, wird schnell merken, dass ihm beide Seiten ziemlich egal waren. Er mimte den abgehalfterten Haudegen – mit unendlichem Gleichmut zwar – aber auch immer mit der leichten Drohung, das er noch genug in der Hinterhand hält. Als Bukowski am 10. März 1994 im Alter von 73 Jahren starb, hinterließ er eine Lücke, die mit den Jahren immer größer zu werden scheint. Als am Montagabend Christian Brückner zur Lesung aus Bukowskis Texten in das Waschhaus lädt, ist die Bude proppenvoll. Der Jazz-Combo Yakou Tribe, in dem sein Sohn die Gitarre spielt, lässt er den Vortritt. Und als Brückner dann mit langsamen Schritten auf die Bühne kommt – schwarze Lederjacke, dass halblange Haare und der Bart von wildem Grau durchsetzt – ganz gelassen auf dem Barhocker Platz nimmt und das Mikrofon greift, ist schnell klar, dass dieser Abend nur gut werden kann. Brückner liest ohne jegliche Effekthascherei. Schnell vergisst man, dass diese Stimme im Fernsehen eigentlich Robert de Niro gehört. Brückner lässt die Zeilen kommen, ganz langsam, mit ebendiesem Gleichmut, der den Klang, den Rhythmus von Bukowskis Erzählungen und Gedichten ausmacht. Es dauert nicht lange, und die bekannte Welt des „dirty old man“ wird greifbar im Waschhaus. Die versoffenen Tage in namenlosen Hotels, die Frauen in seinem Leben, deren Bleiben sich Bukowski am wenigsten erklären konnte. Die Rennbahn, der Wahnsinn, die Einsamkeit. Die vielen untalentierten Autoren, die ihm den Nerv raubten. Detektivgeschichten prall voll von Klischees. Erinnerungen an die Jugend, die Schweinereien, die Prügeleien, die Katzen. Harte Worte, lakonische Worte und am Ende dann, mit dem Gedicht „Geständnis“ – vielleicht eines der besten von Bukowski – auch ungemein zärtliche Worte. Die vier Musiker von Yakou Tribe – mal Brückner begleitend, mal zwischen den Texten den Jazz oder den Blues rührend – tragen die Stimmung gelassen, dann wieder in ausgelassenen Soli vor sich hertreibend. So bleibt genug Raum, um manches Gedicht, manche Zeile wirken zu lassen. Es gibt Fotos, die zeigen Bukowskis „Kampfplatz“: Ein Schreibtisch, darauf die Schreibmaschine – die er sein „Maschinengewehr“ nannte –, ein Radio, der Aschenbecher und die obligatorische Bierflasche. Manchmal an diesem Abend, da schließt man die Augen, lässt einfach nur Brückners Stimme wirken und plötzlich ist man ganz nah dran an diesem „Kampfplatz“. Mehr kann sich niemand wünschen. Dirk Becker
Dirk Becker
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