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Kultur: Der andere Klang von Sanssouci
Die achte Lange Nacht der Freien Theater am Kulturstandort Schiffbauergasse
Stand:
Wäre doch jedes Wochenende so ein Gedränge auf dem ehrwürdigen Schirrhof des „Kulturstandorts Schiffbauergasse“ wie zur Achten Langen Nacht der Freien Theater! Breite, Vielfalt, manchmal auch Tiefe der hierzulande beheimateten Gruppen zu zeigen war ja auch dieses Mal die Option, und mitnichten setzte sich das Publikum nur aus jungen Leuten zusammen. Sogar zwei Minister wurden geortet, darunter Helmuth Markov, der „Großfinanzier“ dieses Spektakels. Er sagte zur Eröffnung, das Geld sei zwar im Allgemeinen knapp, aber „wir haben euch immer noch etwas draufgepackt“ – und drohte gar, noch zur 20. Theaternacht wiederzukommen. Aber das muss vielleicht nicht sein.
Wie auch immer, es funktioniert mal wieder im T-Werk, trotz pflichtgemäßen Klagens ums liebe Geld, das sowieso keinen glücklich macht. Wohl aber jener Geist, der Bühne, Macher und das stets verehrte Publikum ins theatralische Elysium führen kann. Neun Gruppen aus Fern und Nah mit den unterschiedlichsten Genres kamen auszugsweise zum Einsatz, teils mit neuen, teils mit bewährten Inszenierungen; man hat nicht mal alle Bewerbungen berücksichtigen können. Am besten aber war die Atmosphäre, alle Plätze von Bühne und Probebühne dicht besetzt, alle Veranstaltungen ausverkauft, wirklich ideal, wie in den guten alten Zeiten. Schön, bei so einer Lage braucht man sich nur um die Aufführungen zu kümmern.
Das „Poetenpack“ zeigte Ausschnitte aus Kleists „Amphitryon“, ein Lustspiel um Identität und Ehre, dessen theologischer Hintergrund womöglich etwas zu kurz kommt. Auch „34,5 cm neben dem Glück“, eine Produktion des Theaterschiffes, ist nicht neu, wohl aber aktuell. Hier geht es um einen persönlich-familiären Traum, der mit einem Kriegseinsatz in Afghanistan zu bezahlen ist. Obwohl Martina König dieses Stück „rein realistisch“ inszeniert hat, konnte sich das Publikum seiner Wirkung nicht entziehen. Lärm und große Gesten auf dem Schirrhof dann, wo ein großer Dicker und ’ne kleine hasige Dünne (Björn Langhans, Christine Müller) Open Air ein Clownsspektakel vom Frankfurter „Theater des Lachens“ gaben, das war so doll nicht, doch immerhin...
Das Brandenburger „event-theater“ suchte mit dem genreübergreifenden „Friedrich Rex Superstar“ nach großen Gesten und starken Wirkungen. Was der ungeliebte Monarch (Hank Teufer) geschrieben oder notiert hat, wird mittels zweier Paare, zwei Tänzer und zwei klassische Sänger, mit der Wirklichkeit konfrontiert, die unter EffZwo zu oft Tod, Krieg und Verderben hieß. Aus dem Off dazu klassische Musik, plötzlich zum modernen Jazz mutierend, barocke Oper zum Song, hämmernde Rhythmen bedeuten Gewalt, dazwischen – leider nicht immer verständlich – ein ständiges „Gloria und Patria!“ und „Reiner Sinn und reines Wollen!“
Diese eher apokalyptische Variante von „Friederisiko“ vermittelte einen anderen „Klang von Sanssouci“, als es die derzeitige Jubelbrause hergibt; in großen Teilen wenigstens. Parallel zu diesen Vorstellungen gab es auf der jeweils anderen Bühne Ausschnitte aus diversen Tanztheaterproduktionen, Oxymorons „6 seconds“ zum Beispiel, und Weiteres.
Viel Anklang fand dann die „Magic Butter Show“, eine „flunker produktion“ aus Wahlsdorf. Ihr Inhalt beschrieb eine ziemlich wüste Varieté-Nummer, der Form nach war es eine Melange aus Puppenspiel (Claudia Engel, Matthias Ludwig) und Laterna Magica. Krass, absurd, belustigend, vielleicht gar war ein Gran Kritik dabei, dann allerdings verschämt. Nett war’s schon, doch auch nicht besonders wichtig. Ein Trend im Reich der Freien, die am Tropf der Anderen hängen? Gibt es denn gar keine Theaterproduktionen mehr, die so richtig wehtun können, die des Busens spotten, der sie säugt? „Unterhaltung“, sagt des Theaters Geist, ist von all meinen Geschäften mit Abstand das Schlechteste!
Gerold Paul
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