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Saisonstart für die KAPmodern-Reihe: Der Avantgarde sinnvolles Klanggewusel

Kapstadt liegt weit weg? Sicherlich.

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Kapstadt liegt weit weg? Sicherlich. Aber doch nah, wenn man KAPStadt denkt. So verwundert es nicht, wenn die Kammerakademie Potsdam (KAP) in dieser Saison das Urbane, die Hektik der Landesmetropole, in den Fokus ihrer thematischen Betrachtungen rückt. Was auch KAPmodern, die Kammermusikreihe fürs Avantgardistische, in drei Konzerten widerspiegeln will. Den Saisonstart vollzog sie am Donnerstag mit dem Programm „Inter pares“ im Nikolaisaal-Foyer, das sich in neuer Raumsitzordnung für etwa 70 Personen präsentierte. An der Café-Seite steht ein Podest für vier Musiker, andere finden ihren Spielplatz inmitten des Publikums. Auf ihren Pulten liegen Blätter, die wie abstrakte Kunstwerke aussehen. Deren erstes entpuppt sich als Teil von „Books“ des Will Redman, geboren 1975: Eine grafische Skizze mit weit geschwungenen, sich durchkreuzenden Linien, die ihr Ziel in einem wirren Notenschutthaufen finden. Daraus soll Musik entstehen können? Wie lange wird sie erklingen? Wie viele Musiker können sich daran beteiligen? Die Dauer sei offen und die Besetzung flexibel, hat der mit Schere, Stift und Computer arbeitende Komponist für Aufführungen angemerkt. Die KAPmodernisten schicken fünf ihrer engagierten Mitstreiter in die Klangschlacht. Sie erzeugen Gleitendes, sparen nicht mit Flötenflatterzungereien (Bettina Lange), bevorzugen ein raumwirksames Klangdurcheinander. Die Wirkung bleibt nicht aus.

Und auch das klar konstruierte Streichquartett „Tetraktys“ des in München lebenden Griechen Minas Borboudakis, geboren 1974, kommt beim Publikum gut an. Mit wiederkehrenden glissandierenden Abwärtsfolgen, reichlich Dissonanzengewusel, chaotischen Klanggebilden, die dem Fundus der Minimal Music zu entstammen scheinen, mit hektischem Pizzicato oder melodischen Floskeln drückt sich das Flair einer pulsierenden Stadt sehr direkt aus. Der anwesende Komponist kann sich über starken Beifall freuen. Avantgarde-Guru Karlheinz Stockhausen (1928–2007) ist mit dem religiös-philosophischen Stück „Halt“ vertreten, einem virtuos geblasenen Trompetensolo (Nathan Plante). Als er auf (göttliches) Gebot nicht mehr weiterspielen darf, gesellt sich ihm ein Kontrabass (Tobias Lampelzammer) hinzu. Es entspinnt sich ein freundschaftlicher Dialog inter pares. Aus kalten, starren und unkoordinierten Klängen entstehen in „Symbiosis“ von Erkki-Sven Tüür, geboren 1956, zwischen Violine und Kontrabass symbiotische Beziehungen, entwickelt sich eine Struktur. Sich in die Höhe schraubende Aufgeregtheiten münden in ein gemeinsames Perpetuum mobile.

Spannungsgeladenes Musizieren bestimmt auch die Wiedergabe von „Fremdarbeit“ des Konzeptkünstlers Johannes Kreidler, der mit dem Werk – von ihm montierte Musikzitate hat er bei einem chinesischen Komponisten und indischen Programmierer fremdkomponieren lassen – den Globalisierungshype anprangert. Es ist ihm, der seine Intentionen selbst erläutert, und dem hinreißend sarkastisch musizierenden KAPmodern-Ensemble bestens gelungen. Zum Schluss ertönt von der Galerie im Surround-Sound das atonale Bekenntnis „.aus freier Lust.verbunden.Einklang freier Wesen“ von Georg Friedrich Haas (geboren 1953). Ein anregender, beifallsbejubelter Saisonstart. 

Peter Buske

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