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Kultur: Der bekannte Schauspieler las im Nikolaisaal aus dem „Sommernachtstraum“

Klaus Maria Brandauer ist ein Mensch der Masse. Auch bei seinem Mittsommernachtsauftritt im Nikolaisaal gebrauchte er mehrmals das „Wir“.

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Klaus Maria Brandauer ist ein Mensch der Masse. Auch bei seinem Mittsommernachtsauftritt im Nikolaisaal gebrauchte er mehrmals das „Wir“. Nach seinem 75-Minuten-Beitrag zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ ermahnte er sein Publikum väterlich-zart: „Nun gehen wir alle nach Hause!“ Vor ihm lag noch die Signierstunde. Der Buchhändler Karsten Wist hatte im Foyer einen ganzen Tisch mit Brandauers Werken bereitet, und der Name einer so bedeutenden Person, Burgschauspieler auf Lebenszeit, zieht natürlich Leute an, nicht unbedingt magisch, magnetisch aber in jedem Fall.

Bei ihm, dem Weltstar, ist selbstredend jede Geste auf Wirkung berechnet. Nach dem Entree die gar nicht übel gespielte Idee, einen Einschläfer auf dem Polsterhocker zu mimen, um klarzumachen, dass Shakespeare mit der Frage rang, wo ein Traum endet und das Leben vom Traum beginnt. Auffallend nahe der einstigen Klaus-Kinski-Attacke dann der zuvor berechnete Angriff auf einen Pressefotografen. „Wenn Sie noch länger fotografieren, gehen wir alle nach Hause (Pause) - Sie ungehöriger, unsensibler Sack!“, giftete Brandauer. Das saß, vor allem beim Publikum, einer rief sogar „Bavo!“. Brandauer begründete den gespielten Eklat mit dem Satz, er und das „GrauSchumacher Piano Duo“, verantwortlich für den musikalischen Teil, wollten das Publikum ungestört lieben. Ruhm braucht immer ein Opfer.

Schön sollte dieser „Sommernachtstraum“ werden, geheimnisvoll, imaginativ, was auf der kahlen Nikolai-Bühne wohl immer ein Kunststück bleibt. Brandauer kam ohne eine Verbeugung auf die Bühne, hauchte am Stehpult sein „Wir sind alle aus dem Stoff, aus dem die Träume sind“ und dass dieses Leben ein Traum sei. Es folgte die Ouvertüre op. 21 zum Stück, vom frühreifen Felix Mendelssohn-Bartholdy geschrieben, später in eine Fassung für Klavier zu vier Händen gebracht. Für die begnadeten Pianisten Andreas Grau und Götz Schumacher ein Vergnügen, diese mal furiose, mal romantische Musik stets wirkungsvoll aufzuführen. Später strukturierten die kurzen Charakterstücke von opus 61 den Ablauf.

Ein paar einführende Worte, kurz die Grundsituation von Shakespeares „Sommernachtstraum“ umrissen, dann legte der weltberühmte Mann auch schon ungestört los, entführte das Publikum mit vielerlei Stimmen in den Wald bei Athen, wohin sich zwei liebende Paare flüchteten. Doch eigentlich regierten, besser zauselten sich hier höhere Geister: Elfenkönig Oberon und seine aufmüpfige Gattin Titania liegen im Streit wegen eines indischen Knaben. Des Obersten Gehilfe, Puck, bringt schließlich alles durcheinander, bis sich an Theseus Hof wie von höherer Hand alles zum Dreifach-Happy End fügt. Nach dem Satz „Wie oben - so unten“ funktioniert ja jeder Sommernachtstraum. Aber meist sagt man nur Spiel dazu, Phantasie, Poesie, und wählt leise, geheimnisvolle Töne, als sei dies ein Filzlatschenstück. Was war es für den umjubelten Gast auf der Bühne?

Der Künstler las also in verschiedenen Rollen, arbeitete viel mit Gestik und Mimik, mit einzelnen Gängen, suchte noch einmal den symbolischen Schlaf auf den Brettern der Welt. Trotzdem war nicht immer klar, wen er da gerade übergangslos zitierte. Viel zu kurz kamen die irdischen Paare, sein Puck hechelte wie ein Hündlein, Handwerker Zettel, der mit dem Eselskopf, war wie immer nur ein unreflektierter Vollidiot und Dilettant. Man fragte sich, ob die „Schlüsselszenen“ auf dieser Bühne ihren Namen verdienten, suchte den roten, englischen Faden, den eingangs behaupteten Unterschied zwischen Sosein und Traum. Klaus Maria Brandauers Solo blieb zwar manche Antwort schuldig, aber das Publikum, „liiebe Freunde“ benannt, umjubelte ihn auch so.

Gerold Paul

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